Nachricht vom

Von Philosophie bis Genetik, von Ausgrabung bis KI – und Puzzlearbeit: Die digitale Archäologie ist vielfältig, sagt Dr. Julian Laabs, seit Sommersemester 2023 Juniorprofessor für Digitale Archäologie am Historischen Seminar. „Die Menschheit in ihrer scheinbaren Widersprüchlichkeit von Uniformität und Diversität und dem, was daraus entsteht“ zu verstehen, ist nur eine Facette, die ihn an seinem Forschungsgebiet fasziniert. Im Interview stellt er sich vor.

Was haben Sie studiert – und wo?

Ich habe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Prähistorische und Historische Archäologie mit dem Nebenfach Geographie studiert.

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

Eine wichtige Etappe in meinem Werdegang war zweifellos mein Doktorat am Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern. Während dieser Zeit war ich unter anderem Mitglied der Graduiertenschule Climate Science des Oeschger Center for Climate Change Research, was mir die Möglichkeit gab, über den Tellerrand der Archäologie hinauszuschauen und Anschluss an gesellschaftlich hoch relevante Forschungen und Fragestellungen zu finden. Mit meiner Rückkehr nach Kiel als Postdoc konnte ich im Sonderforschungsbereich 1266 „TransformationsDimensionen“ an der interdisziplinären Erforschung gesellschaftlicher Transformationen zwischen 15000 und 0 v.u.Z. mitwirken.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Eigentlich wollte ich gar nicht Archäologie studieren. Aber eines kam zum anderen und das Fach hat mich nicht mehr losgelassen. Ich lernte die Archäologie als nichts anderes kennen als eine der vielen Wissenschaften, die versucht, die Menschheit in ihrer scheinbaren Widersprüchlichkeit von Uniformität und Diversität und dem, was daraus entsteht, zu verstehen; eben nur in der Vergangenheit und auf Grundlage der materiellen Hinterlassenschaften. Es ist unter anderem die inhärente Interdisziplinarität (von Philosophie bis Genetik) und die Methodenvielfalt des Faches (von Ausgrabung bis KI), aber auch der Grad an Puzzlearbeit (intellektuell oder am Fundstück), welche mich an der Archäologie fasziniert.
Innerhalb der Archäologie habe ich mich auf die Digitale Archäologie oder Computational Archaeology „spezialisiert“. Das bedeutet in meinem Fall, dass ich vor allem mit quantitativen Methoden archäologische Daten so modelliere, dass sie raum-zeitlich analysiert werden können, um zum Beispiel Aussagen über Veränderungen ganzer Siedlungssysteme oder die Verteilung von Macht und Reichtum in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft zu machen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die (agenten-basierte) Simulationsmodellierung von Landnutzung zur Erforschung vergangener Mensch-Umwelt-Interaktionen.

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

Ich glaube, dass ich das gleiche „große Forschungsziel“ verfolge wie die meisten Archäolog:innen: einen Teil zum Verständnis der Menschheitsgeschichte beizutragen. Und damit durch die rekursive Reflexion der Gegenwart und der Geschichte ein besseres Verständnis über unsere Gesellschaften zu erlangen. Ein erstes konkreteres Ziel, das ich mir für meine Forschung gesetzt habe, ist es, diese so zugänglich, transparent und reproduzierbar wie möglich zu machen.

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

Wie der Name meiner Juniorprofessur „Digitale Archäologie Mitteleuropas“ vermuten lässt, werde ich in der Lehre natürlich einen Schwerpunkt auf digitale Methoden und Anwendungen in der Archäologie legen. Diese umfassen jedoch ein sehr weites Feld – von 3D-Rekonstruktionen und Vermessungstechnik über Datenmodellierung bis hin zu maschinellem Lernen und Simulationsmodellierung – und erfordern den Einsatz verschiedenster Software und Kenntnisse in Programmiersprachen. In der Lehre werde ich daher versuchen, den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Grundlagenkompetenzen zu legen, anstatt einzelne komplexere Anwendungen in den Vordergrund zu stellen, da letztere die Beherrschung der Grundlagen voraussetzen. Diesen Schwerpunkt der Lehre könnte man unter Digital Literacy zusammenfassen. Natürlich müssen aber auch die erwähnten komplexeren Methoden und Anwendungen eine Rolle spielen. Den Studierenden sollte daher die Möglichkeit gegeben werden, archäologisches Material und Daten unter relevanten Forschungsfragen mit diesen zu analysieren. In diesem Rahmen kann neben der Methodik auch das Wissen über den eigentlichen Forschungsgegenstand – die menschlichen Zeugnisse der Vergangenheit – theoretisch reflektiert werden.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich…“

...zunächst ein Ort der Forschung und Lehre. Ich hoffe, in Zukunft in beiden Bereichen einen fruchtbaren Beitrag leisten zu können.

Antworten Sie gern mit persönlichem Bezug oder allgemein: Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Die (Wieder?)Entdeckung von Solidarität.

Welche Hobbys haben Sie?

Freunde treffen, Radfahren, Lesen...diese Hobbys haben sich seit dem generischen „Grundschul-Freundebuch-Eintrag“ nicht geändert... vielleicht bin ich aber auch einfach nur langweilig.

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Keines. Aber eine gute Portion schwarzer Humor hilft weiter.

Verraten Sie uns bitte noch wann und wo Sie geboren sind?

Ich wurde am 04.09.1986 um 04.26 Uhr in Bad Segeberg, Schleswig-Holstein, geboren... ich hoffe das reicht an Informationen für ein genaues Horoskop.

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.