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Im Staats- und Verwaltungsrecht geht es um die Grundfrage des Zusammenlebens von Menschen: Wer kann unter welchen Voraussetzungen verbindliche Normen für andere setzen? - Diese Frage findet Fabian Michl schon aufgrund ihrer herausragenden sozialen Bedeutung faszinierend. Seit dem 1. November dieses Jahres lehrt und forscht der 33-Jährige im Rahmen einer Tenure-Track-Professur als Juniorprofessor (JP) für Staats- und Verwaltungsrecht mit Schwerpunkt Recht der Politik an der Universität Leipzig. Im Interview berichtet Michl, was er sich in Forschung und Lehre vorgenommen hat, von seiner Begeisterung fürs Reisen - vor allem nach Moskau - und vieles mehr.

Was haben Sie studiert – und wo?

Ich habe Rechtswissenschaft an der Universität Regensburg studiert und nach meinem Referendariat noch ein Masterstudium in Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Universität Edinburgh absolviert.

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

Zuerst war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg, an der ich mit einer Dissertation über die Grundrechte der Europäischen Union promoviert wurde. Danach ging ich an die Universität Münster, an der ich als Akademischer Rat ein Habilitationsvorhaben im Bereich der Verfassungstheorie aufnahm, das ich auch nach dem Wechsel nach Leipzig fortführe.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Im Staats- und Verwaltungsrecht – dem Öffentlichen Recht – geht es um die Herstellung und Begrenzung von Herrschaft, also um die Grundfrage des Zusammenlebens von Menschen in einer rechtlich verfassten Gesellschaft: Wer kann unter welchen Voraussetzungen verbindliche Normen für andere setzen, deren Befolgung nötigenfalls erzwingen und wie weit reichen diese Befugnisse? Diese Fragen sind – abgesehen von ihren philosophischen Implikationen – schon aufgrund ihrer herausragenden sozialen Bedeutung faszinierend, wie wir nicht erst seit den Kontroversen um Infektionsschutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie wissen.

Innerhalb des Öffentlichen Rechts beschäftige ich mich vor allem mit dem deutschen und europäischen Verfassungsrecht, also der jeweils höchsten Normebene in Deutschland und der Europäischen Union, außerdem mit der Verfassungstheorie und ‑geschichte. Daneben interessieren mich ganz allgemein die philosophischen und historischen Grundlagen des Öffentlichen Rechts, wobei ich mich in letzter Zeit besonders mit Fragen der juristischen Zeitgeschichte der Bundesrepublik, vor allem der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, befasst habe.

Das Recht der Politik beschreibt innerhalb des Öffentlichen Rechts einen etwas engeren Bereich, der erst seit kurzer Zeit als eigenständiges Rechtsgebiet konturiert wird. Ich verstehe darunter das Recht des demokratischen Prozesses, also die rechtlichen Regelungen über die Demokratie, von der Konstituierung des Demos, über die rechtliche Ordnung der politischen Parteien, die Regelung von Wahlen und Abstimmungen und schließlich das Recht des politischen Prozesses in Regierung, Parlament und Bundesstaat. An dieser Materie ist besonders faszinierend, dass sie neben Rechtsvorschriften stark von „informellen“ Normen und Praktiken geprägt ist, die zum Beispiel die Meinungsbildung in Parteien, Fraktionen und Parlamenten regeln. Das Recht der Politik sieht sich außerdem einem starken gesellschaftlichen und technologischen Reformdruck ausgesetzt, der reichlich Stoff für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Materie bietet. Ich denke etwa an die geplante Wahlrechtsreform und die fortschreitende Digitalisierung des Parteien- und Parlamentsbetriebs.

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

Ich möchte hier an den letzten Punkt anknüpfen: Die wissenschaftliche Begleitung der Reformen im Recht der Politik steht ganz oben auf meiner Agenda. Dazu gehört vor allem die Wahlrechtsreform, aber auch die Modernisierung des Parteien- und Parlamentsrechts. Außerdem will ich meine Grundlagenforschung im Bereich der Verfassungstheorie und Verfassungsgeschichte fortsetzen und intensivieren.

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

Gerade bin ich dabei, eine neue Vorlesung über den Grundrechtsschutz in der europäischen Union zu konzipieren, die das Angebot der Juristenfakultät im Schwerpunktstudium ergänzen soll. Daneben möchte ich Seminare vor allem im Recht der Politik anbieten, wobei ich mir als erstes Thema die „Digitale Demokratie“ vorgenommen habe. Zukünftig kann ich mich vielleicht auch mit meinen theoretischen und historischen Forschungsinteressen in das Lehrangebot einbringen. Insgesamt ist mir viel daran gelegen, forschungsnahe Lehrveranstaltungen anzubieten, da diese nach meiner Erfahrung sowohl für Lehrende als auch für Studierende am ertragreichsten sind. Daneben gehört zu meinen Aufgaben aber selbstverständlich auch die grundständige Lehre in den klassischen juristischen Veranstaltungen im Staats- und Verwaltungsrecht, die mir ebenfalls große Freude bereitet.

Mit Blick auf die Formate der Lehrveranstaltungen kann ich mir, soweit es die Studienordnung zulässt, auch innovative Konzepte vorstellen. Ich habe in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit der Methode des „inverted classroom“ gemacht, bei der die Studierenden sich die nötigen Kenntnisse im Selbststudium aneignen und dann in der Sitzung argumentativ anwenden. Gerade im Jurastudium kann man solche Formate aber nur zurückhaltend einsetzen, da die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung der Studierenden damit tendenziell noch zunimmt. Offen bin ich auch für Lehrprojekte und Exkursionen, wie ich sie in der Vergangenheit schon durchgeführt habe: Etwa ein Archivprojekt mit Studierenden beim Bundesarchiv in Koblenz oder eine praxisnahe Exkursion an einen „Schauplatz“ des Rechts der Politik. Die Nähe Leipzigs zu Berlin ist dafür gewiss von Vorteil.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich…“

… Herausforderung und Chance zugleich.

Antworten Sie gern mit persönlichem Bezug oder allgemein: Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Ganz bescheiden: Eine Literaturverwaltungssoftware, die zu meiner (gelegentlich etwas erratischen) Arbeitsweise passt und nicht mehr Zeit kostet, als sie einspart. Ob dafür zehn Jahre reichen, weiß ich aber nicht.

Welche Hobbys haben Sie?

Ich koche gern, vor allem Gerichte aus der italienischen und russischen Küche. Für recht viel mehr bleibt eigentlich keine Zeit. Wenn gerade keine Pandemie ist, gehört natürlich auch das Reisen zu meinen Hobbys. Dabei geht’s vor allem nach Frankreich und Italien, dank einer langjährigen Lehrkooperation aber auch alle zwei Jahre nach Moskau, eine Stadt, die mich immer aufs Neue begeistert.

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Nein. Solche Mottos, falls man sie je hatte, gewöhnt man sich als Jurist wohl spätestens in der Examensvorbereitung ab.

Verraten Sie uns bitte noch wann und wo Sie geboren sind?

Am 4. Mai 1988 in Regensburg.

Vielen Dank.

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