Nachricht vom

Die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung von Küken, ein innovatives Therapiekonzept gegen Krebs, ein Schnelltest zum Nachweis von Glyphosat oder ein winziges Spektrometer als Bestandteil eines Smartphones – dies alles sind Erfindungen, die bereits den Weg aus der Universität Leipzig in die freie Wirtschaft über ein Patent gefunden haben oder ihn bald finden könnten.

Doch dieser Prozess ist häufig langwierig. Niemand weiß das besser als Dr. Dirk Wilken, der das Sachgebiet Wissens- und Technologietransfer seit 2016 leitet. „Ein Patent einreichen ist wie eine Wette eingehen. Man weiß nie, ob man das investierte Geld und die Mühen auch wieder rausbekommt“, sagt Wilken, der einst an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fach Chemie promovierte und anschließend zehn Jahre in einem Biotechunternehmen arbeitete.

Es gibt Wochen, da erreichen den Patentexperten nur wenige Anfragen, dafür dann aber auch mal gleich drei Mails an einem Tag – mit Ideen vor allem aus der Medizin und den Lebenswissenschaften. „Wir wollen auf der einen Seite Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beraten und sie bei der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung unterstützen. Andererseits muss es auch einen ökonomischen Mehrwert für die Universität bringen“, beschreibt Wilken die Aufgabe seines Teams.

Dabei treffen immer wieder Welten aufeinander. „Die Wissenschaft hat einen großen Anspruch an Genauigkeit, die Wirtschaft den Druck, mit dem Produkt auf den Markt kommen zu müssen.“ Die Aufgabe seines Teams ist auch, zwischen beiden Seiten zu vermitteln.

Dr. Dirk Wilken

Die Wissenschaft hat einen großen Anspruch an Genauigkeit, die Wirtschaft den Druck, mit dem Produkt auf den Markt kommen zu müssen.

Der Weg zum Patent

Am Anfang des Prozesses von einer Erfindung zu einem Patent steht das Gespräch. „In der Erfinderberatung lassen wir uns die Idee dahinter erklären und die wissenschaftlichen Experimente dazu erläutern, fragen nach Veröffentlichungen und erklären, welche weiteren Schritte notwendig wären bis zu einem Patent“, erklärt Wilken. Gibt sein Team grünes Licht, können die Wissenschaftler:innen eine Erfindungsmeldung einreichen. Vier Monate hat die Universität dann Zeit zu entscheiden, ob sie für die Erfindung ein Patent anmelden will oder nicht. Dafür wird beispielsweise ein Gutachten eingeholt, das klären soll, ob die Erfindung nicht nur neu und gewerblich anwendbar, sondern auch erfinderisch ist, was oft nicht so eindeutig ist.

Eine Erfindung muss sich deutlich von dem abheben, was bislang bekannt ist.

„Eine Erfindung muss sich deutlich von dem abheben, was bislang bekannt ist. Eine naheliegende Nuance zum Stand der Technik ist meist nicht erfinderisch“, sagt Wilken. Ein weiteres Gutachten lotet die Chancen aus, wie sich die Erfindung wirtschaftlich verwerten lassen könnte. Nimmt die Universität die Erfindung in Anspruch, wird ein Patentanwalt beauftragt, der die Patentanmeldung ausarbeitet und einreicht – in der Regel beim Deutschen Patent- und Markenamt. „Falls die Analysen ergeben, dass es für das Patent auch einen Markt etwa in der EU, den USA, China oder Japan geben könnte, kann der Patentschutz auch ausgeweitet werden“, sagt Stefanie Funke, Referentin für Transfer und Schutzrechte.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Ein roter Diamant bringt durch die Erzeugung eines grünen Lichtstrahls eine E-Gitarre zum Schwingen
Das Büro reicht für dieses Experiment als Labor: In Raumtemperatur bringt Prof. Dr. Jan Meijer mit einem roten Diamanten Saiten einer E-Gitarre zum Klingen, Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig

Eigentlich fällt mir immer etwas ein und ich könnte jeden Tag ein Patent anmelden.

Einer, der sich regelmäßig an Wilkens Team wendet, ist Prof. Dr. Jan Berend Meijer. Seit 2013 forscht und lehrt der Quantenphysiker an der Universität Leipzig und hat stets einen Blick für den Transfer in die Wirtschaft. „Eigentlich fällt mir immer etwas ein und ich könnte jeden Tag ein Patent anmelden. Es kostet mich keine Mühe“, sagt er. Ein umfangreiches Patentportfolio, das auf Meijers Erfindungen auf dem Gebiet der Quantenforschung beruht, hat die Universität bisher angemeldet und an ein Startup im Bereich Quantensensorik verkauft. 30 Prozent der Bruttoerlöse aus dem Verkauf stehen dabei dem Erfinderteam um Prof. Meijer zu. Das Unternehmen ist derzeit dabei, basierend auf den Patenten Hightech-Sensoren zu entwickeln. Kommen die Sensoren auf den Markt, werden Universität und Erfinder zusätzlich finanziell beteiligt.

Wissenschaftliches Knowhow für den Wirtschaftsmarkt

Pro Jahr sind es im Schnitt rund 30 Patentanmeldungen, die Wilken und sein Team bearbeiten. An vielen Hochschulen kursiert der Traum, mal mit einem Patent das große Los zu ziehen – so wie einst die Fraunhofer-Gesellschaft, der es gelang, mit MP3-Patenten mehr als eine halbe Milliarde Euro einzunehmen. Doch realitätsnah ist das nicht, das weiß Dirk Wilken nur zu gut: „Unser vorrangiger Anspruch ist, wissenschaftliches Knowhow in den Markt zu bringen und neue Forschungsprojekte zu initiieren.“ Das gelingt seinem Team in enger Zusammenarbeit mit den Wissenschafler:innen erfolgreich – und die Universität partizipiert dann ebenfalls am wirtschaftlichen Erfolg.

Benjamin Haerdle

Der Beitrag ist als erstes im Alumni-Magazin 2023 der Universität Leipzig erschienen.

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.