Schon am 26. Februar schlossen sich Helfer:innen zusammen
Luisa promoviert seit Februar dieses Jahres, ausgestattet mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung, zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der DDR und der Volksrepublik Polen. Allerdings hat sie bislang wegen ihres Engagements für den Verein „Leipzig helps Ukraine“, dessen Gründungsmitglied sie ist, wenig Zeit für ihre Promotion gefunden. „Diese Zeit wird mir später garantiert fehlen“, sagt sie. Aber ihr war es wichtig, sich als Freiwillige für die Geflüchteten aus der Ukraine einzusetzen. „Wir hatten schon am 26. Februar unser erstes Online-Meeting“, erinnert sie sich. Mit „wir“ meint sie die spontan auf dem Messenger-Dienst Telegram gebildete Gruppe von Helfer:innen. Luisa Klatte machte angesichts der wachsenden Flüchtlingsströme aus der Ukraine bewusst den zweiten Schritt vor dem ersten und fragte sich, was mit den Menschen passieren soll, wenn sie in Leipzig und anderen Orten in Deutschland ankommen. Sie wollte strukturiert vorgehen, anstatt „blinden Aktionismus“ an den Tag zu legen, organisierte Unterbringungsmöglichkeiten und so einfache Dinge wie kostenlose Toilettenbesuche auf dem Leipziger Hauptbahnhof.
Vieles funktionierte über Telegram
Fast nebenbei gründeten sie und ihre Mitstreiter:innen den Verein, um Fördergelder erhalten zu können. Wichtig waren dabei auch die gemeinsamen Überlegungen und die Chance, demokratische Entscheidungen in kniffligen Situationen treffen zu können. Oftmals telefonierte Luisa Klatte stundenlang, um in den etwa 12 Stunden von der Abholung der Geflüchteten an der Grenze zur Ukraine bis zur Ankunft in Leipzig genügend Unterkünfte zu organisieren. Vieles funktionierte dabei über die durch Telegram spontan vernetzten Strukturen der Helfer:innen. Sie mussten viele Hürden meistern, angefangen bei der Benzinknappheit in Polen bis hin zur Unterbringung von Geflüchteten mit ihren Haustieren, die damit nicht in die Erstaufnahmeeinrichtungen ziehen konnten.
Allein 70 Tage haben Luisa Klatte und ihre Mitstreiter:innen in der Anfangszeit der Flüchtlingswelle auf dem Hauptbahnhof zugebracht, um die Menschen aus der Ukraine in Empfang zu nehmen und Hilfe zu organisieren. Es gab einen Schichtplan, Listen wurden abtelefoniert, um Unterkünfte für die 8.000 bis 9.000 Geflüchteten zu finden, die allein in Leipzig angekommen sind.
Auf Akuthilfe folgt nun Hilfe im Alltag
Mittlerweile kommen deutlich weniger Geflüchtete in Leipzig an. „Die Akuthilfe ist vorbei“, sagt Luisa Klatte. Andere Dinge stehen im Mittelpunkt. „Es fehlen zum Beispiel mobile Endgeräte für das Homeschooling, das meist noch von der Ukraine aus erfolgt“, berichtet Klatte, die gerade an einem Sommerferienprogramm für die ukrainischen Kinder und Jugendlichen bastelt. Auch Futterspenden für die Tiere der geflüchteten Menschen und Möglichkeiten zur Übernahme von Tierarztkosten würden gebraucht. Alles finde gerade im Privaten statt, sagt sie. Viele Menschen in Leipzig und Umgebung seien sehr engagiert. Sie böten den Geflüchteten nicht nur eine Unterkunft und helfen, eigenen Wohnraum zu finden, sie unterstützten die Menschen aus der Ukraine auch bei Behördengängen oder schlicht beim Einkaufen. Es hätten sich inzwischen gut funktionierende Hilfsstrukturen entwickelt, etwa ein Pool von 200 Übersetzer:innen, auf die Klatte und ihre Mitsteiter:innen zurückgreifen können. Das Job-Team des Vereins „Leipzig helps Ukraine“ sammelt Informationen rund um angebotene Stellen und leitet sie weiter.
Luisa Klatte musste ihr Engagement für ihren Verein ab Mai auf zwei Tage pro Woche herunterfahren. Ab Juni hat dann endgültig ihre Dissertation wieder Priorität. Schon jetzt ist sie dabei, ihren Nachfolger im Verein einzuarbeiten. „Ich freue mich auf die wissenschaftliche Arbeit“, sagt sie. Sie erwartet unter anderem ein Forschungsaufenthalt in Polen. Der Forschung möchte sie übrigens auch später treu bleiben und am liebsten in einer außeruniversitären Forschungseinrichtung arbeiten.
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