Sind Sie gut in Leipzig angekommen?
Ja, mittlerweile schon. Wir mussten eine ganze Weile nach einer dauerhaften Unterkunft in Leipzig suchen, aber jetzt haben wir eine gefunden. Aller Anfang ist schwer – es gibt viele Dinge, an denen wir arbeiten, um uns weiter in Leipzig einzugewöhnen. Die Stadt ist in meinen Augen sehr lebenswert, ich genieße es, dass man fast jeden Weg mit dem Fahrrad zurücklegen kann. Allmählich lerne ich auch die Universität Leipzig besser kennen. Ich habe schon erste Mitarbeiter eingestellt und regen Kontakt mit einigen neuen Kolleginnen und Kollegen, worüber ich sehr froh bin. Ich finde aktuell noch die Zeit, mein Umfeld zu erkunden und Wurzeln zu schlagen – auch wissenschaftlich.
Welchen Forschungsvorhaben werden Sie sich hier widmen?
Uns interessieren Systeme, die sich im Zuge der Evolution besonders schnell verändern. Häufig findet man schnelle Evolution bei Arten mit großen Populationen und kurzen Generationszeiten, zum Beispiel bei Bakterien, Pilzen oder Viren. Dort treten ständig neue Mutationen auf und die Mutationen, die zu mehr Nachkommen führen, setzen sich durch. Das wellenartige Aufkommen von neuen und fitteren Varianten bei Sars-CoV-2 verdeutlicht diesen evolutionären Prozess auf dramatische Weise. Wir versuchen, solche Vorgänge quantitativ zu verstehen und in mathematischen Modellen abzubilden, um dann Vorhersagen treffen zu können, wie schnell sich welche Mutationen durchsetzen. An der Universität Leipzig möchte ich diese evolutionären Fragestellungen um eine ökologische Perspektive erweitern. In der Natur findet man oft verschiedene Arten eng zu einer Gemeinschaft verknüpft, zum Beispiel bei den Bakterienstämmen in der Darmflora, die auf unterschiedlichste Weise miteinander interagieren: Sie können sich helfen, die Ressourcen wegnehmen, oder aktiv bekämpfen. Mikroben interagieren auch mit der Umwelt über physikalische und chemische Wechselwirkungen. Die evolutionäre Entwicklung dieser komplexen Ökosysteme in Raum und Zeit ist für Fragen der Biodiversität und nachhaltigen medizinischen und ökologischen Eingriffen von großer Bedeutung, aber noch nicht gut verstanden.
Inwiefern sind Sie schon in die Leipziger Wissenschaftslandschaft eingebunden?
Wir wollen hier ein Zentrum gründen, das wir iCeed nennen. Die Abkürzung steht für „Integrative Center for eco-evolutionary Dynamics“. Es soll den ökologischen, den evolutionären und den dynamischen Ansatz verbinden und bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Fakultät mit denen anderer Fakultäten und weiterer Forschungseinrichtungen zusammen. Wir wollen ein ganzheitliches Verständnis generieren: Uns geht es nicht um eine Art Wettervorhersage der Evolution für ein paar Tage, sondern um generelle, interpretierbare Faktoren, die wir robust mit mathematischen Modellen vorhersagen können.
Was haben Sie sich für die Lehre an der Universität Leipzig vorgenommen?
Zum Aufbau des Zentrums habe ich anfangs keine Lehrverpflichtungen. Ich werde im Herbst jetzt aber vertretungshalber die Vorlesung „Weiche Materie“ halten. Perspektivisch möchte ich neue Vorlesungen im Grenzgebiet zwischen populationsbiologischen Systemen und der Physik entwickeln.
Worauf freuen Sie sich jetzt kurz nach Ihrem Start an der Uni Leipzig?
Ich freue mich darauf, Wissenschaft zu machen. Augenblicklich gibt es sehr viel zu organisieren, aber wenn das allmählich nachlässt und der Laden brummt – dann geht’s mir gut.
- Fünf Humboldt-Professuren für die Universität Leipzig
Aktuell forschen und lehren fünf Humboldt-Professoren an der Universität Leipzig: neben dem Chemiker Prof. Dr. Jens Meiler auch der Philosoph Prof. Dr. James Conant sowie der Altphilologe und die Informatiker Prof. Dr. Sayan Mukherjee und Prof. Dr. Gregory Crane. - Über die Alexander von Humboldt-Professur
Der international höchst angesehene Preis für Forschung in Deutschland wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung in einem strengen Wettbewerbsverfahren vergeben, um deutsche Hochschulen in die Lage zu versetzen, weltweit führende, im Ausland tätige Forscher:innen zu berufen und ihnen international konkurrenzfähige Bedingungen für zukunftsweisende Forschung zu bieten. Das Preisgeld in Höhe von bis zu fünf Millionen Euro ist für die Finanzierung der ersten fünf Jahre in Deutschland gedacht.
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