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Stefan Hindtsche hatte den „Stallgeruch“ noch in der Nase, als er im April dieses Jahres seine Stelle als Direktor des Musikinstrumentenmuseums der Universität Leipzig antrat. Während seines Studiums der Musikwissenschaft an der Alma Mater hat er hier zunächst als Museumspädagoge und nach dem Studium zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet - eine Zeit, die ihn sehr geprägt hat, wie er heute sagt. Damals war er an mehreren Ausstellungsprojekten wie etwa „Leipzigs klingende Möbel“ beteiligt und kümmerte sich darum, die kostbare Sammlung des Museums auch für jüngere Besucher:innen anziehend zu gestalten. Heute helfen ihm die Erfahrungen von damals in seinem neuen Job ebenso sehr wie seine vorherige Tätigkeit im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen, dem Hindtsche von 2017 bis 2019 als stellvertretender und von 2019 bis zu seinem Wechsel zurück nach Leipzig als Direktor vorstand.

„Es ist eine sehr spannende Aufgabe, in diesem Haus zu wirken. Ich habe an der Universität Leipzig die Chance, mich interdisziplinär mit verschiedenen Aspekten der auditiven Kulturen auseinanderzusetzen“, sagt der 42-Jährige. Nachdem sein Vorgänger Prof. Dr. Josef Focht im Jahr 2021 innerhalb der Universität an eine andere Stelle gewechselt hatte, wurde das Haus zunächst von der Dekanin der Fakultät für Geschichte, Kunst und Regionalwissenschaften, Prof. Dr. Rose Marie Beck, kommissarisch geleitet. Hindtsche bewarb sich schließlich erfolgreich an seiner früheren Wirkungsstätte und ist seit einigen Monaten Chef des Hauses im Grassi-Verbund am Johannisplatz. Seitdem hat der gebürtige Merseburger bereits vieles von dem, was er sich vorgenommen hat, in die Wege geleitet. „Das ist in Zeiten von Corona und der Energiekrise eine große Herausforderung, aber das Umfeld hier ist sehr gut. Ich habe ein tolles, engagiertes Team mit einer großen Expertise, das mir das Fußfassen leicht gemacht hat“, betont Hindtsche, der in seiner Freizeit selbst Musikstücke komponiert.

Eines seiner Ziele ist, das Netzwerken in vielerlei Hinsicht auszubauen. So strebt Hindtsche unter anderem eine Kooperation mit den Physiker:innen der Universität für gemeinsame Projekte im Bereich Akustik an. Auch mit dem Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) möchte er intensiver zusammenarbeiten und die Sammlung für Fortbildungskurse nutzbar machen. “Schulklassen sind eine immanent wichtige Zielgruppe“, weiß Hindtsche, der noch häufiger digitale Angebote und mehr Popularmusik-Kultur ins Museumsprogramm bringen möchte, um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.

PD Dr. Birgit Heise vom Institut für Musikwissenschaft ist es mit Unterstützung chinesischer Studentinnen der Musikwissenschaft gelungen, die chinesischen Inschriften auf historischen Instrumenten zu übersetzen und so wertvolles Wissen über die Instrumente und deren Herkunft zu generieren. „Für uns ist das ein wichtiger Beitrag zur Provenienzforschung“, erklärt Hindtsche. Das dazugehörige Ausstellungsprojekt „Gesang der Phönixflöte“ zeigt erstmals eine Auswahl der interessantesten chinesischen Objekte der Sammlung des Museums in dieser Vielfalt. Die gerade eröffnete Schau ist noch bis zum 26. Februar 2023 zu sehen.

Ein Gedanke, der Hindtsche bei seiner Bewerbung um die Stelle als Museumschef durch den Kopf ging, war die Chance, den Grassi-Verbund zu stärken. Dazu gehören neben dem Musikinstrumentenmuseum auch das Museum für Völkerkunde der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und das Museum für Angewandte Kunst der Stadt Leipzig. Ihm gehe es um gemeinsame Themenfelder, gemeinsames Agieren und darum, „diese tolle Expertise in der Stadt nutzbar zu machen“. Gemeinsame Projekte im Rahmen der Musikstadt Leipzig, wie etwa Ausstellungen, möchte er ebenso mit dem Bach-Archiv und dem Stadtgeschichtlichen Museum auf den Weg bringen. Auch die Hochschule für Musik und Theater ist für Hindtsche ein wichtiger Kooperationspartner. Er möchte verstärkt Nachwuchsmusiker:innen die Gelegenheit bieten, bei Auftritten im Museum Erfahrungen zu sammeln.

Mit seinem Kollegen Dr. Veit Heller bietet Hindtsche im Studiengang Musikwissenschaft das Modul „Sachsens Klang und Gloria“ zu sächsischen Instrumentenbauzentren und deren Entwicklung an. Dabei helfen ihm die zahlreichen Kontakte und Erfahrungen aus seiner Zeit in Markneukirchen. In der Vogtlandstadt gebe es noch heute mehr als 100 Hersteller von Musikinstrumenten. Von den knapp 7.800 Einwohner:innen der Stadt arbeiteten 1.300 in dieser Branche. Hindtsche hat dort viele persönliche Kontakte und sogar Freundschaften geknüpft, fachliche Fragen mit den Praktiker:innen vor Ort in den Werkstätten erörtert und im Museum gelernt, wie ein solches Haus funktioniert, wie man es leitet, wie man Drittmittel einwirbt und vieles mehr. Die Netzwerke von früher kommen ihm auch in seiner Tätigkeit in Leipzig zugute, sagt er.

Von den etwa 5.000 Musikinstrumenten, die zum Bestand des Museums zählen, können aus Platzgründen nur etwa die Hälfte ausgestellt werden, die anderen lagern in Depoträumen. Diese Vielfalt eignet sich hervorragend, um immer mal wieder Sonderausstellungen zu gestalten. Hindtsche selbst sind zwei Instrumente aus der Dauerausstellung seines Hauses besonders ans Herz gewachsen: Zum einen das älteste erhaltene Clavichord aus dem Jahr 1543 und die älteste bekannte sächsische Gitarre aus dem Jahr 1801. Das wertvolle Instrument stammt aus der Dresdner Werkstatt von Johann Christian Beyer. Erst im Frühjahr dieses Jahres konnte das Exponat dank der finanziellen Unterstützung des Förderkreises des Museums angekauft werden. Immer wenn Hindtsche durch die Sammlung läuft, mit seinem Team spricht oder neue Projekte angeht, ist ihm eines klar: „Jeder Tag ist ein neuer Tag des Lernens“, sagt er.

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