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Als Evamarie Hey-Hawkins am 1. April 1993 ihren Dienst als Professorin für Anorganische Chemie an der Universität Leipzig antrat, wollte sie eigentlich nicht länger als zehn Jahre bleiben. Damals war sie 35 Jahre jung und hatte Gefallen daran gefunden, dass sie im Osten Deutschlands im Gegensatz zu den „wenig flexiblen westdeutschen Strukturen“ viele Dinge mitgestalten konnte. Doch es kam alles ganz anders als geplant. Die heute 66 -Jährige fand viel zu wenig Gründe zum Gehen und blieb bis heute. Seit mehr als 30 Jahren prägt Prof. Hey-Hawkins die Forschung und Lehre an der Universität Leipzig, die sie am 30. September dieses Jahres dann allerdings doch verlassen und in den Ruhestand gehen wird.

Sie lebt für ihre Forschung, „die vielleicht irgendwann die Welt verbessern wird“, ist Hey-Hawkins fest überzeugt. Beste Bedingungen dafür fand sie ab 1999 in dem damals neu entstandenen Hauptgebäude der Chemie in der Johannisallee vor. Nach den ersten sechs Jahren ihrer Professur in der Brüderstraße unter räumlich eher schwierigen Bedingungen konnte sie nun ihre neuen Labore konzipieren und moderne Geräte beschaffen. Allerdings gab es damals nur wenig junge Menschen, die Chemie studieren wollten, ein bundesweites Problem, das sich aber kurz nach dem Umzug in den Neubau Chemie gegeben hat. „Mir ist die Nachwuchsförderung wichtig, insbesondere junge Menschen zu motivieren, auch Verantwortung zu übernehmen“, sagt Hey-Hawkins.

Wie bedeutsam junge Forschende für sie sind, wird bei den „Sharkies“ deutlich. So nennen sich in Anlehnung an ihren Nachnamen (Hey, gesprochen Hai, auf Englisch shark) die Mitarbeitenden ihres international besetzten Arbeitskreises. „Wir haben Zulauf von sehr guten Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt“, berichtet die in Nordhessen aufgewachsene gebürtige Westfälin. Wer bei den „Sharkies“ einsteigen will, braucht die Qualifikation und Begeisterung für das Fachgebiet, die Fähigkeit, komplexe Arbeitstechniken für die teilweise nicht ungefährliche Laborarbeit zu erlernen, und Teamfähigkeit. „Diese Eigenschaften findet man schnell im persönlichen Gespräch heraus“, erzählt die Chemikerin, für die Akzeptanz und Toleranz selbstverständlich sind, was sie natürlich auch von ihrem Team erwartet. Sie versucht, ihren Mitarbeitenden eine Arbeitsatmosphäre zu bieten, die ihnen Freiraum für ihre Forschung und ihre Kreativität, aber auch eine gewisse finanzielle Sicherheit gewährt.

Beeindruckende Bilanz

Die Bilanz der mit vielen Preisen geehrten Chemikerin in Sachen Nachwuchsförderung kann sich sehen lassen: In den 30 Jahren an der Universität Leipzig hat sie etwa 100 Promotionen, mehrere Hundert Postdocs sowie mehr als 150 Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten betreut. „Jede Promotion in unserem Arbeitskreis war und ist für mich ein Highlight“, sagt sie. Einige Promovierende wird Hey-Hawkins auch noch über ihren Ruhestand hinaus betreuen. Sie selbst hat im Laufe ihrer wissenschaftlichen Laufbahn viele Ehrungen und Preise bekommen, von denen ihr einige besonders wichtig sind. Dazu gehören neben ihrer Auszeichnung als eine von zehn exzellenten Frauen weltweit mit dem Distinguished Woman in Chemistry or Chemical Engineering Award im Jahr 2013 durch die International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) auch der sächsische Verdienstorden, der Leipziger Wissenschaftspreis und die Universitätsmedaille. Sie hat mehr als 600 Publikationen veröffentlicht und weltweit etwa 400 eingeladene Vorträge gehalten. „Die Wissenschaft ist ein wichtiger Teil meines Lebens, der mich natürlich auch nach meinem Ausscheiden aus dem Dienst an der Universität Leipzig noch weiter beschäftigen wird“, betont sie.

"Die Wissenschaftlerin in mir ist immer dabei“

Als zwei Highlights ihrer wissenschaftlichen Karriere sieht sie unter anderem die Bewilligung des Graduiertenkollegs „Mechanistische und Anwendungsaspekte nicht-konventioneller Oxidationsreaktionen“ im Jahr 1997 und der Graduiertenschule BuildMoNa im Jahr 2007 im Rahmen der damaligen Exzellenzinitiative. Ihre wissenschaftlichen Interessen gelten der anorganischen und metallorganischen Chemie, der Organophosphor- und der Carboranchemie. So werden im Arbeitskreis Hey-Hawkins Molekülverbindungen hergestellt, die potenziell als Chemotherapeutika zur Krebsbekämpfung, als Katalysatoren oder als Vorläufer für Materialien Anwendung finden können.

Natürlich erlebte die renommierte Forscherin in ihren mehr als 30 Jahren an der Universität Leipzig auch schwierige Momente und Entwicklungen. „Die Verwaltungsabläufe sind manchmal schon recht zäh“, meint sie; „da ist es gut, kompetente Unterstützung zu haben“. Kein Verständnis hat sie für die 2014 getroffene Entscheidung der Fakultätsleitung, ihre Stelle nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst an der Universität nicht wieder zu besetzen. „Damit endet an der Fakultät für Chemie und Mineralogie die Forschung in international attraktiven Bereichen der bisher durch mich vertretenen, synthetisch anspruchsvollen, interdisziplinären anorganischen und elementorganischen Molekülchemie“, sagt Hey-Hawkins. Ihre Forschung geht allerdings in Kooperation mit anderen Einrichtungen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst an der Universität Leipzig weiter.

Auch wenn nach dem 30. September für Professorin Hey-Hawkins die Lehr- und Forschungstätigkeit sowie die Mitwirkung in Gremien an der Universität beendet ist, hat sie immer noch genug wissenschaftlich zu tun. Sie bleibt weiter als Gutachterin für den Deutschen Akademischen Austauschdienst tätig, sitzt in zahlreichen Kommissionen und bleibt auch einigen ihrer vielen Ämter treu. Gemeinsam mit ihrem Mann wird sie weiterhin in dem kleinen Ort östlich von Leipzig wohnen, auf dem Land, im Grünen. „Ich reise gern, auch um andere Länder und Kulturen und unterschiedliche Wissenschaftssysteme kennenzulernen“, verrät die Professorin mit der Vorliebe für Science-Fiction-Filme und -Bücher. Egal, wo sie sich gerade auf der Welt befindet – „die Wissenschaftlerin in mir ist immer dabei“, so Hey-Hawkins lächelnd.

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