Ob Kaninchen-, Wolf-, Seehund, Zebra-, Wildpferde-, Affen- oder Menschenzähne: Dr. Ellen Schulz-Kornas kennt sie alle. Spezialisiert hat sich die promovierte Zoologin dabei auf einen besonderen Aspekt, der alle Zähne betrifft: ihre Abnutzung durch das Kauen. „In das Thema eingestiegen bin ich seinerzeit während meines Biologie-Studiums an der Universität Greifswald”, erläutert sie.
Bewusst hatte sich die bei Eisenhüttenstadt Geborene einen Studienplatz im Norden, in Nähe der Küste gesucht. „Als Kind hatte ich in den Ferien mit meinen Eltern am Strand Muscheln und Hühnergötter gesammelt und wollte immer genau wissen, was das alles war”, erinnert sie sich.
Im Geschiebearchiv der Uni Greifswald, wo sie als wissenschaftliche Hilfskraft arbeitete, bekam sie den Zahn eines fossilen Pferdes in die Hand – und war fasziniert. Einen solchen, aber nicht aus der Sammlung, sondern 3D-gedruckt, hat sie auch noch heute griffbereit in ihrem Büro: ein etwa vier Zentimeter großer Vorbackenzahn, mit schwarzen Furchen durchzogen. „Trotzdem habe ich natürlich auch noch alle anderen Sachen gemacht, die zum Biologie-Studium gehören“, sagt sie.
Vom Heutigen auf das Vergangene schließen
Für ihre Promotion ging sie an das Zoologische Museum der Uni Hamburg. Anders als in Greifswald handelte es sich bei den Pferden in dieser Sammlung um rezente Pferde, die also in jüngerer Vergangenheit lebten. „So konnte ich verschiedene aktuelle Huftierarten, ihre Ernährung, Lebensraum und die Zahn-Abnutzung studieren“, so die Laborleiterin. „Denn erst das Wissen um heutige Huftierarten, ihre Ernährung und Lebensweise lässt Rückschlüsse auf die Lebensweise fossiler Arten überhaupt zu“, sagt die Methoden-Expertin.
Bei Forschungsaufenthalten in über 20 nationalen und internationalen Museumssammlungen untersuchte Dr. Ellen Schulz-Kornas dann Zähne von fossilen und heute lebenden Säugetieren. Exkursionen führten sie nach Tansania zu Ausgrabungen, in die Mongolei zu den dort lebenden Wildeseln und Przewalski-Pferden und in die Wüste Gobi.
Als Postdoc entwickelte sie neue Methoden, um den Zahnabrieb, möglichst universell bei fossilen und heute lebenden Säugetieren, maschinell mit standardisierten Verfahren darzustellen und zu analysieren.
Ans MPI-EVA zur Schimpansen-Forschung
Dann, 2014, rief das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig bei ihr an. Dort untersuchte Dr. Ellen Schulz-Kornas unter anderem die Zähne von inzwischen verstorbenen Schimpansen, deren Ernährungsverhalten über 30 Jahre zuvor individuell beobachtet und dokumentiert worden war. „So konnte ich die Abnutzung der Zähne mit den exakt beobachteten Daten der verspeisten Pflanzen zusammenbringen und eine wichtige Forschungslücke schließen“, so Schulz-Kornas.
Seit 2019 ist sie Laborleiterin der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universitätsmedizin Leipzig, entwickelt hier einige Methoden für die Zahnmedizin weiter. Warum sie hierher wechselte? „Das klingt jetzt etwas banal: Ich suchte eine unbefristete Stelle, bei der ich Forschung und Lehre kombinieren kann. Und meine mögliche Zeit in befristen Arbeitsverhältnissen an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen neigte sich, dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz folgend, langsam dem Ende zu“, sagt Schulz-Kornas.
„Es erfüllt mich mit großer Freude, auch hier meine strukturbiologisch-biomechanischen Kenntnisse mit der zahnmedizinischen Anwendung verbinden zu können“, betont sie. „Und das Tolle am Uni Standort in der Liebigstraße ist, dass wir hier auf kurzem Weg mit verschiedenen Kliniken und Forschungsinstituten inklusive Feinmechanischen Werkstätten zusammenarbeiten können.” Bei Bedarf baut sie Teile von Anlagen auch selbst (siehe Bildergalerie).
Methodenexpertise sehr gefragt
Doch ihre Methodenkompetenz ist nach wie vor beim MPI-EVA gefragt: Mit Nobelpreisträger Svante Pääbo und Ko-Autor:innen publizierte sie 2023 eine Arbeit, in der sie eine zerstörungsarme Methode aufzeigte, mit der sich menschliche DNA vom Zahn eines steinzeitlichen Hirsches extrahieren ließ, der einmal Teil eines Schmuckstücks einer Kette gewesen war. Die Kettenträgerin war eine Frau gewesen.
Mit ihren ehemaligen Team-Kolleg:innen am MPI-EVA veröffentlichte sie zudem kürzlich eine Studie, aus der hervorgeht, dass Schimpansen die spezifischen Materialeigenschaften unterschiedlicher Pflanzen kennen und ihr Wissen anwenden, um geeignete Werkzeuge herzustellen, um in der Regenzeit Termiten zu „angeln“. „Für sie sind Termiten eine Art proteinreiches Nahrungsergänzungsmittel“, sagt Schulz-Kornas. „Die Verwendung von Werkzeugen bei Schimpansen kann uns Rückschlüsse auf die technischen Fertigkeiten unserer frühesten menschlichen Vorfahren geben, gerade wenn die Werkzeuge selbst nicht mehr überliefert sind”, so die Autor:innen der Studie.
Wenn Dr. Ellen Schulz-Kornas nicht im Büro ist, kann es sein, dass man sie an den Leipziger Seen trifft. „Ich paddle sehr gerne, und vom Schreibtisch bin ich schnell am einen der vielen See im Leipziger Umland.“
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