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Das am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig angebundene Projekt StartTraining feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Im StartTraining unterstützen Lehramtsstudierende systematisch, umfangreich und langfristig Schüler:innen an sächsischen Schulen im Bildungsübergang der Klassenstufe 1 und 5. In einer Festveranstaltung am 28. August werden neben dem Jubiläum die diesjährigen Preisträger:innen des Start-Training-Preises sowie die Verlängerung der Kooperationsvereinbarung gefeiert. Die Projektverantwortliche Maren Reichert und die Projektkoordinatorin Anke Weinreich lassen die vergangenen Jahre Revue passieren, sprechen im Interview über das rasante Wachstum, die größte Herausforderung und ihre schönsten Momente.

Was bedeutet das zehnjährige Jubiläum des StartTrainings für euch?

Weinreich: Ich bin seit September 2019 mit an Bord und wenn ich rückblickend betrachte, wie wir von den Studierendenzahlen her gewachsen sind, wie groß unser Angebot geworden ist, ist das schon beachtlich. Das Schöne am StartTraining ist, dass man sieht, was man hier bewirkt. Als ich angefangen habe, gab es viel mehr Plätze als studentische Bewerbungen. Jetzt hat sich das seit mindestens zwei Jahren komplett gedreht und wir erhalten viel mehr studentische Bewerbungen, als wir Plätze anbieten können. Es ist schön zu sehen, dass auch die Studierenden verstehen, was sie im Projekt bewirken und wie wichtig diese Erfahrungen sind, die sie bei uns sammeln können.

Reichert: Ich begleite das StartTraining, seitdem es am Institut für Bildungswissenschaften als Projekt unterstützt und noch an lediglich drei Leipziger Schulen verankert war. Da habe ich bereits gesehen, was Studierende positiv zurückgemeldet haben. Als das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) dazukam und die Option, Schulen können GTA-Mittel zur Finanzierung der Studierenden nutzen, freigegeben hat, war auch der Sprung in ganz andere Dimensionen möglich. Das ist natürlich ein sehr schönes Ergebnis und macht mich stolz auf unsere Arbeit. Ich würde bei der Frage zudem darauf verweisen, dass wir mit dem StartTraining eine sehr langfristige Kooperation aufgebaut haben und ich an der Stelle gerne auch unseren Kooperationspartnern, dem LaSuB am Standort Leipzig und Jugend mit Zukunft danken möchte für die gemeinsame Arbeit. Ohne die ganz wesentliche Unterstützung der beiden Partner hätten wir sicherlich schwieriger agieren können. Am Ende des Tages bleibt erstmal wirklich der Stolz auf das Erreichte übrig. Der Stolz und die Freude an dem, was uns zurückgemeldet wird. Und natürlich auch die Frage, wie es weitergeht, nachdem wir die zehn Jahre ordentlich gefeiert haben.

2018 bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen Universität Leipzig, dem LaSuB und Jugend mit Zukunft gGmbH waren zwei Grund- und eine Oberschule an dem Projekt beteiligt. Aktuell sind 164 Projektschulen aktiv. Was war in dieser Zeit des Wachstums der wichtigste Meilenstein oder die größte Herausforderung?

Weinreich: Für mich ist beides gar nicht so richtig trennbar, denn ich würde sagen, unser größter Meilenstein – genauso wie auch die größte Herausforderung – waren tatsächlich die Corona-Jahre. Es gab ganz viel Unsicherheit auf allen Seiten. Auf der studentischen Seite dominierte die Frage, ob sie überhaupt noch zur Schule gehen können. Die Schulen waren unsicher, ob Externe überhaupt kommen dürfen. Gemeinsam mit dem LaSuB haben wir die Vereinbarung getroffen, dass unsere Studierenden weiterhin ihre Schüler:innen unterstützen können, trotz der ganzen Unsicherheiten. Zugleich bot die herausfordernde Zeit auch Chancen. Denn gerade durch das „Aufholprogramm nach Corona“, eine Bund- und Länderinitiative, hat unser Projekt einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Wir hatten auf einmal so viele Plätze wie noch nie zuvor. Und durch die Umstände entwickelten die Studierenden innovative digitale Formate. Die Studierenden wurden unfassbar kreativ, entwickelten digitale Leseformate oder eigene Erklärvideos und haben gezeigt, dass die Förderung trotz der räumlichen Trennung gut funktioniert hat.

Reichert: Ich würde als große Herausforderung ergänzen, das Projekt, gerade in den Anfangsjahren, überhaupt erstmal zu kommunizieren. Wenn ich mich erinnere, mit wie vielen E-Mails und Telefonaten ich bei Lehrstuhlinhaber:innen angeklopft habe, um das Projekt vorzustellen. Wir haben Schulleitungen und Referenten vom Landesamt für Schule und Bildung eingeladen und waren auch in deren Veranstaltungen präsent, um zu zeigen, dass es das StartTraining gibt und welchen Mehrwert es bietet. Das war zu Beginn vor allem viel Kommunikationsarbeit. Jetzt ist es eher so, dass wir den Bekanntheitsgrad des Projektes beherrschen müssen. Auf der einen Seite ist dieses Wachstum ganz bezaubernd, auf der anderen Seite muss es aber auch bewerkstelligt werden. 

Die Schulen sind wirklich sehr dankbar, dass es dieses Projekt gibt.

Projektverantwortliche Maren Reichert

Was war euer schönster Moment bislang im Projekt? 

Reichert: Ich würde es an drei Punkten festmachen. Zum einen bestärkt mich immer wieder, dass sich sowohl die Studierenden als auch die Schulen bei uns bedanken. Diese Rückmeldungen dazu, wieviel auf beiden Seiten passiert, wie Schülerinnen und Schüler tatsächlich vom StartTraining profitieren, sind für mich ganz wichtig. Die Schulen sind wirklich sehr dankbar, dass es dieses Projekt gibt und dass sie seitens der Universität so unterstützt werden. Ich denke auch an die Studierenden, die sich mit berührendem Feedback an uns wenden, weil sie so viel durch dieses Projekt lernen können und das StartTraining einen sehr umfänglichen Möglichkeits- und Erfahrungsraum für sie bietet.

Ein anderes konkretes Ereignis war eine Rückmeldung vom Kultusministerium, deren Vertreter in einer unserer Veranstaltungen gesehen haben, dass wir sehr professionell arbeiten und uns deswegen auch im Bereich der Drittmittel erheblich gestärkt haben. Und drittens: Wenn aus anderen Bundesländern Anfragen bei uns eintreffen und dabei unsere Struktur gelobt wird. Die Art und Weise, wie das in der Größenordnung bei uns funktioniert, gibt es woanders tatsächlich nicht. Und somit ist es schön zu sehen, dass wir doch ein Solitär in der Bildungslandschaft sind.

Weinreich: Mir ist noch ein Anruf von einer Schulleiterin in Erinnerung geblieben, die wirklich einfach nur gesagt hat: Was würden wir ohne euch machen? Und damit meinte sie natürlich nicht uns als Projektbüro, sondern die StartTrainer:innen, die zum Kollegium dazugehören, die sich einbringen und mit vielfältigen Ideen an der Schule ankommen, um die Kinder wirklich zu unterstützen. Da habe ich gemerkt, das funktioniert. 

Eure schönsten Erinnerungen sind vor allem an Feedback geknüpft. Erhaltet ihr auch Rückmeldungen von Schüler:innen? 

Reichert: Zu Schülerinnen und Schülern haben wir tatsächlich keinen direkten Kontakt. Wir erfahren zum Beispiel in den Freitextantworten der Evaluationen von Fallbeispielen. Eine Studierende hat von einem Kind berichtet, das wochenlang mit niemandem an der Schule in der ersten Klassenstufe kommuniziert hat und dann mit der Studierenden, die über das StartTraining tätig war, das erste Wort im Schulkontext gesprochen hat. Das sind dann Rückmeldungen, die uns natürlich indirekt etwas darüber vermitteln, wie Schülerinnen und Schüler dort beteiligt sind und profitieren. 

Ihr seid sehr stark in der Kommunikation, begleitet die StartTrainer:innen intensiv, evaluiert die Projektphasen und unterstützt auf allen Ebenen. Welche weiteren Maßnahmen ergreift ihr, um die Qualität und Wirksamkeit des Projektes zu gewährleisten?

Reichert: Zum einen bemühen wir uns, die Prozesse für alle Beteiligten zu vereinfachen, Abläufe effizient und transparent zu gestalten und Aufwand letztendlich zu verringern. Zum anderen versuchen wir immer auch, die beteiligten Akteure stärker ins Rampenlicht zu holen und ihre wertvolle Arbeit sichtbar zu machen. Wir haben unter anderem den StartTraining-Preis ausgelobt und geben auch sonst den Studierenden die Möglichkeit, ihre Tätigkeit über Medienbeiträge öffentlich zu machen. Wir möchten diejenigen in Reihe eins stellen, die bei uns in den Projekten arbeiten. 

Weinreich: Wir versuchen immer wieder, das Projekt in den Fokus zu rücken, indem wir bei Veranstaltungen der Universität Leipzig vertreten sind. Ich denke da an die Lange Nacht der Wissenschaften oder das Symposium des uniinternen Netzwerkes Wissenschaftskommunikation, wo wir unseren Instagram-Kanal vorgestellt haben. Wir unterstützen aber auch öffentlichkeitswirksamere Aktionen über unser Projekt, wie die Post gegen Einsamkeit oder den bundesweiten Vorlesetag. Am Ende möchten wir weitere Bühnen öffnen, die über den eigentlichen Kern des Projektes hinausgehen. Ich bin der Meinung „Tu Gutes und sprich darüber“ trifft auf das StartTraining zu. Wir haben ein tolles, etabliertes Projekt und müssten eigentlich noch viel mehr davon erzählen.

Mein Blick hat sich geschärft für die Frage: Was braucht es für einen guten Unterricht?

Projektkoordinatorin Anke Weinreich

Wie hat das Projekt eure Sicht auf Bildung und Schule verändert?

Reichert: Ich unterrichte noch einige Stunden an einem Gymnasium und habe Einblick, wie Schule abläuft. Mein eigener Blick wurde durch das Projekt dahingehend verändert, dass eine zweite Person im Klassenraum für mich rückblickend ein großer Gewinn gewesen wäre und wirklich viel bewirken kann. Wenn ich daran denke, wie ich in 45, 60 oder 90 Minuten Prozesse gestaltet habe – da würde ich mir in der Rückschau tatsächlich gerne mehr Brüche, Widersprüche, Hinterfragen, mehr Unterstützung wünschen. Das ist mein ganz persönlicher Blick darauf. 

Weinreich: Mein Blick hat sich geschärft für die Frage: Was braucht es für einen guten Unterricht? Wir sprechen aktuell viel über Inklusion, Diversität, Future Skills – doch die Frage ist, was unsere Lehrkräfte überhaupt dafür brauchen. Und das auf allen Ebenen: Was brauchen Schule und Lehrkräfte, aber auch unsere angehenden Lehrkräfte?

Das StartTraining funktioniert, gilt als Aushängeschild und findet viel Beachtung, nicht zuletzt im vom SMK veröffentlichten Strategiepapier Bildungsland Sachsen 2030. Wie sieht die Zukunft des Projektes aus?

Weinreich: Ich freue mich jetzt erstmal, dass das Schuljahr 2024/25 begonnen hat und die etwa 530 StartTrainer:innen langsam in den Schulen ankommen und ihre ersten Erfahrungen sammeln können. Wenn ich mir vorstelle, dass aktuell über 14.000 Schüler:innen vom StartTraining profitieren, ist das natürlich eine Zahl, die man sich fast gar nicht vorstellen kann. 

Reichert: Auf der einen Seite geht es natürlich darum, den bestehenden Status Quo zu halten. Auf der anderen Seite träumen wir davon, dass man eine hundertprozentige Abdeckung erreicht. Ich würde mir für die nächsten Jahre wünschen, dass wirden Bedarf, den es auf beiden Seiten gibt, immer noch optimaler zusammenführen könnten. Wir haben Schulen, die sich bewerben und die keine Studierenden bekommen. Und wir haben auch Studierende, die sich bewerben und keinen Platz bekommen. 

Zudem wäre es mir wichtig zu schauen – und da sind wir tatsächlich mit dem Kultusministerium im Kontakt – ob das StartTraining als Modell für einen rhythmisierten Ganztag funktionieren kann. Die Frage ist, wie diese Struktur gewinnbringend auch woanders eingesetzt werden kann, damit Schulen einem Ganztagsauftrag gerecht werden. Wie können wir das Gute von uns für andere fruchtbar machen und Handlungsempfehlungen für Schulen und universitäre Standorte entwickeln? Das zu forcieren, wäre ein Wunsch für das Projekt. 

Vielen Dank. 

Hinweis: Die Festveranstaltung findet am 28. August auf dem Mediencampus Villa Ida statt. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.

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