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Die neue Forschungsplattform „Forschungsatlas“ des Stadt.Raum.Gestalten e.V. bietet einen Überblick über Publikationen, die sich mit Leipzig oder einzelnen Stadtteilen beschäftigen. Sie ermöglicht es städtischen Akteuren, schnell und einfach Arbeiten, etwa über die Lebensqualität oder zur Einzelhandelsentwicklung in Leipziger Stadtteilen, zu finden. Jenny Kunhardt, Doktorandin am Institut für Stadtentwicklung und Bauwesen, hat die Wissenschaftsplattform mitentwickelt. Im Interview erzählt sie, wie die Idee entstand, welche Disziplin überraschend viel über Leipzig geforscht hat und welche Stadtteile besonders häufig untersucht wurden.

Was ermöglicht der Forschungsatlas?

Jenny Kuhnardt: Der Forschungsatlas Leipzig ist eine digitale, kartenbasierte Plattform, die wissenschaftliche Publikationen verzeichnet, die sich mit Leipzig oder einzelnen Teilräumen der Stadt beschäftigen. Die Plattform soll den Wissenstransfer zwischen Forschenden untereinander wie zwischen Forschenden und der Öffentlichkeit verbessern. So ist die Plattform – im Gegensatz zu vielen wissenschaftlichen Portalen – frei zugänglich und ermöglicht, dass auch Engagierte aus Vereinen, aus Stadtverwaltung und Stadtpolitik etwa dazu recherchieren können, was in einem bestimmten Themenfeld bereits erforscht wurde oder welche Arbeiten es eigentlich zu ihrem Stadtteil gibt. Uns war es wichtig, eine Bandbreite an Publikationen, also von Seminararbeiten über Dissertationen bis hin zu Artikeln in Fachzeitschriften oder Beiträgen in Sammelbänden, aufzunehmen, weil all diese Arbeiten Fragen an die Stadt gerichtet haben. Die Arbeiten sind entsprechend ihrer Inhalte der Gesamtstadt oder einzelnen Stadtteilen zugeordnet. Auf Ebene der Gesamtstadt befinden sich etwa Publikationen, die Leipzig mit anderen Städten vergleichen oder stadtweite Erhebungen zur Luftqualität analysieren. In den Ortsteilen sind es konkretere Fragen, wie die Einzelhandelsentwicklung in der Innenstadt oder die Lebensqualität in Grünau. Wir haben darüber hinaus die verzeichneten Publikationen thematisch kategorisiert, so zum Beispiel „Öffentliche Räume“ oder „Nachhaltigkeit“, und einer wissenschaftlichen Disziplin entsprechend der Regensburger Verbundklassifikation zugeordnet. Weitere bibliographische Informationen, wie Autor:innen, Erscheinungsjahr und ein Abstract zur Publikation, ermöglichen eine detaillierte Suche.

Wie kam es zur Idee des Forschungsatlas? Wer ist daran beteiligt?

Die Idee kam, als ein Kollege an der Uni Leipzig zu mir meinte, es gäbe kaum Forschungen über die Eisenbahnstraße, beziehungsweise die Ortsteile Neustadt-Neuschönefeld und Volkmarsdorf. Das überraschte mich sehr. 2012, als ich Geographie an der Uni studierte, beschwerten sich genau dort Interviewpartner:innen, dass ständig „Leute von der Uni“ kommen und von ihnen etwas zur Entwicklung des Stadtteils wissen wollen. Sehr viel Forschung verschwindet in Schubladen oder ist nicht zugänglich. Seminararbeiten und Abschlussarbeiten werden häufig nach Abschluss der Prüfungsleistung nicht veröffentlicht. Die Qualität der Arbeiten mag sehr unterschiedlich sein, aber trotzdem hat sich jemand mit einer konkreten Fragestellung beschäftigt, Daten ausgewertet und Interviews geführt. Artikel in Fachzeitschriften und Beiträge in Sammelbänden sind häufig nur über wissenschaftliche Repositorien beziehungsweise Suchmaschinen auffindbar.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Portrait von Jenny Kunhart
Jenny Kunhardt, Promovendin und Mitentwicklerin des Forschungsatlas. Foto: Marcus Hübscher

2021 haben wir den Verein Stadt.Raum.Gestalten e.V. gegründet, um diese Projektidee, neben einigen anderen, realisieren zu können. So brauchten wir zum Beispiel die Vereinsstruktur, um uns auf Fördermittel bewerben zu können. In dreijähriger Arbeit – das meiste davon ehrenamtlich – haben wir die Plattform auf die Beine gestellt. Das bedeutete vor allem die technische Entwicklung und die Recherche von Arbeiten, da wir gern mit der Veröffentlichung ein Angebot schaffen wollten, was auch genutzt wird. Während dieser Zeit haben wir auch bereits Kontakt zu Leipziger Hochschulen und Bibliotheken gesucht. Da es aber eben alles ehrenamtlich war, verzögerte sich ständig unser Zeitplan, wodurch auch die Kontaktpflege schwierig war. Finanzielle Unterstützung für das Projekt hatten wir lediglich durch Preisgeld aus dem simul⁺Mitmachfonds 2021, welches wir vor allem für die technische Infrastruktur benötigten.

Welche Forschungsfelder haben sich bereits beteiligt und zu welchen Stadtteilen gibt es welche Fragestellung? 

Aktuell sind etwas mehr 300 Publikationen im Atlas verzeichnet. Die meisten davon haben wir selbst im Vorfeld recherchiert. Wir sind auf Autor:innen zugegangen, um ihre Zustimmung einzuholen. Dabei haben wir sehr positives Feedback erhalten und auch Hinweise auf weitere Publikationen. Etwa 100 Publikationen arbeiten zu einem oder mehreren Ortsteilen Leipzig. Dabei wurde besonders viel im Leipziger Osten, also etwa Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf, Stötteritz, und im Leipziger Westen, also Plagwitz, Lindenau, sowie in Grünau geforscht. Dagegen gibt es eine ganze Reihe Ortsteile am Stadtrand, wo wir bislang keine einzige Arbeit verzeichnet haben. So zum Beispiel Liebertwolkwitz, Thekla und Wiederitzsch. Während der Recherche waren wir bemüht, möglichst eine Bandbreite an Disziplinen und Themen aufzunehmen. Die meisten Arbeiten haben wir aus Disziplinen, die sich generell viel mit räumlichen Fragen beschäftigen, also aus der Geographie, sowohl Sozialgeographie als auch Physische Geographie und Stadt- und Raumplanung, gefolgt von Geistes- und Sozialwissenschaften, wie Soziologie und Geschichte. Überraschend für uns waren die vielen Publikationen aus dem Bereich Humanmedizin und den Gesundheitswissenschaften. Viele dieser Publikationen analysieren die lokale Lebensqualität und den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Gesundheit. Dies spiegelt sich dann auch in den Kategorien wieder. Die meisten Publikationen, aktuell 77, arbeiten im Feld der Quartiersentwicklung und 70 Publikationen zu stadtplanerischen Fragen, gefolgt von Gesundheit und Lebensqualität. Wenig Leipzig-spezifische Forschungsarbeiten haben wir dagegen etwa aus den Erziehungs- und Sportwissenschaften sowie Sprach- und Literaturwissenschaften. Überraschend war für uns auch, dass wir nur wenige Publikationen in den Kategorien Religion, Denkmalschutz und Geologie/Boden gefunden haben.

Wie können sich Interessierte Wissenschaftler:innen an dem Atlas beteiligen?

Der Erfolg des Forschungsatlas Leipzig hängt von seiner Nutzung ab. Wir möchte den Atlas als Recherchetool bei Forschenden, Studierenden und auch der Zivilgesellschaft bekannt machen. Stöbern Sie also gern selbst im Atlas nach den Themen, die Sie interessieren oder vielleicht auch nach dem Stadtteil, indem Sie wohnen. Empfehlen Sie den Atlas Kolleg:innen und Studierenden. Um den Atlas mit weiteren Publikationen zu „füttern“, können Sie auf der Plattform ein digitales Formular ausfüllen und an uns senden. Gut ist, wenn es auch einen Link gibt, wo die Arbeit eingesehen werden kann. Für Hochschulschriften steht dafür etwa der Publikationsserver der Universität Leipzig zur Verfügung.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist die Webseite des Forschungsatlas mit Anwendungsfeld mit verschiedenen Auswahlrubriken wie etwa "Forschungsfelder"
Im Anwendungsfeld des Forschungsatlasses können verschiedene Parameter ausgewählt werden. Grafik: Universität Leipzig

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