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An der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät unterstützt ein Chatbot Studierende beim selbstgesteuerten Lernen. Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim und Norbert Pengel haben im Projekt „tech4compKI“ unter anderem die Erfahrung gemacht, dass solche Tools flexibel anpassbar sein müssen, was sich am besten mit Open-Source-Lösungen umsetzen lässt. Und sie stellten fest, dass sie bei Studierenden oft noch Überzeugungsarbeit mit Blick auf den Einsatz von KI in der Lehre leisten müssen. Teil 3 unserer Serie zur Nutzung Künstlicher Intelligenz im Uni-Kontext.

Herr Professor Wollersheim, wie setzen Sie Künstliche Intelligenz in Ihrer Lehre in den Bildungswissenschaften ein?
Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim: Im Rahmen der digitalen Mentoring Workbench (MWB) stellen wir verschiedene, miteinander vernetzte und zum Teil KI-basierte Dienste bereit, um Studierende beim selbstgesteuerten Lernen zu unterstützen. Zentral ist ein rund um die Uhr verfügbarer Chatbot, der auf einem Large Language Model (LLM) basiert und als virtueller Companion fungiert. Der „BiWi AI Tutor“  beantwortet als Experte modulspezifische inhaltliche und organisatorische Fragen auf Basis des Modulmaterials. Als Lernbegleiter unterstützt er bei der Bewältigung von Problemen und Anliegen.

Ein weiteres Tool in der Mentoring Workbench stellt Studierenden adaptives, personalisiertes Feedback zu Schreibaufgaben mit Rückmeldungen zur Zielerreichung und Verbesserungsvorschläge zur Verfügung. So ermöglichen wir die selbstständige Lerneinschätzung auf Basis der Modulinhalte und -ziele. Um die Organisation und das Monitoring des eigenen Lernprozesses zu unterstützen, stehen darüber hinaus ein Zeitplaner und ein Dashboard zur Verfügung.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Einsatz von KI in Ihrer Lehre?
Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim: Ziel ist es, Studierende individuell, flexibel, niedrigschwellig und skalierbar in den verschiedenen Phasen selbstgesteuerten Lernens fachspezifisch zu unterstützen. Dafür denken wir das Potenzial Generativer KI mit der fachwissenschaftlichen und didaktischen Expertise der Lehrenden verantwortungsvoll zusammen.

Norbert Pengel: Mehr Interaktionen ermöglichen mehr Einblicke in Lernprozesse – sowohl für Studierende, aber eben auch für Lehrende und Forschende. Insofern entstehen nicht nur hochschuldidaktische Handlungsräume, sondern auch Forschungsräume, die wiederum zur Verbesserung der Lehre beitragen können. Der Einsatz von KI gerade auch in der Lehrer:innenbildung ist mit Blick auf das spätere Tätigkeitsfeld von Lehrer:innen und deren Wirkung als Multiplikator:innen in der Lebenswelt kommender Generationen von großer Bedeutung.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht – was lief gut, wo gab es Herausforderungen?
Norbert Pengel: Generative KI kann selbstgesteuertes Lernen und das Erreichen von Lernzielen fördern – besonders auch durch transparentes, konkretes Feedback, wie wir zeigen konnten. Im BMBF-Verbundprojekt „tech4compKI“ zeigte sich neben all den Potenzialen, wie herausfordernd es ist, ein solches System konzeptionell und technisch stimmig umzusetzen und auch organisational zu implementieren. Aber es ist machbar.
Projekte wie „tech4compKI“ stehen immer auch vor der Herausforderung der Nachnutzung und des Transfers. Wenn eine Hochschule über eine klare KI-Strategie, gegebenenfalls sogar mit eigener Infrastruktur, verfügt, kann das sehr hilfreich sein. Auf dieser Grundlage ließen sich aber auch grundsätzlich zukunftsfähige Lernszenarien nachhaltiger planen und gestalten.

Open-Source-Lösungen sind in diesem Kontext oft passender als Dienste, für die eine Nutzungslizenz erworben werden muss. Zentrale Voraussetzung für den Erfolg neuer Tools und Szenarien ist die Akzeptanz seitens der Nutzer:innen. Dazu können Support, Schulungen und curricularer Einbettung beitragen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Screenshot von der Mentoring Workbench, in der unter anderem der BiWi AI Tutor läuft
Einblick in die Mentoring Workbench, in der unter anderem der BiWi AI Tutor läuft, Foto: Screenshot

Welchen Tipp würden Sie Kolleg:innen geben, die KI-gestützte Methoden in ihrer Lehre ausprobieren möchten?
Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim: Beginnen Sie mit klaren Lernzielen und kleinen konkreten Anwendungen. Suchen Sie den Austausch mit Kolleg:innen, idealerweise interdisziplinär. Binden Sie Studierende aktiv ein und evaluieren Sie regelmäßig. Eine transparente Kommunikation über die Funktionsweise und Grenzen von KI-Systemen ist entscheidend. Akzeptieren Sie, dass nicht alles sofort perfekt läuft – schrittweise Verbesserungen sind Teil des Prozesses.

Wo sehen Sie Chancen und Nutzen, wo Schattenseiten und Risiken?
Norbert Pengel: KI bietet Chancen für flexible, personalisierte Lernbegleitung und kann Bildung inklusiver machen, indem sie Inhalte und Informationen niedrigschwellig zugänglich macht. Natürlich gibt es Risiken wie „Halluzinationen“ der KI oder inhaltliche Verzerrungen und es werden gegebenenfalls auch personenbezogene Daten verarbeitet. Doch mit Transparenz, didaktischer Einbettung und Beachtung ethischer sowie datenschutzrechtlicher Vorgaben können wir diesen Herausforderungen konstruktiv begegnen. Richtig eingesetzt, kann KI auch Quellenkritik und Reflexionsfähigkeit stärken – Kompetenzen, die auch für den gesellschaftlichen Diskurs zentral sind.

In tech4compKI wurden anpassbare KI-Dienste erprobt, die sich für vielfältige (Bildungs-)Kontexte eignen, in denen Menschen durch digitale Agenten fachspezifisch begleitet werden können.
In Zukunft könnten virtuelle Agenten auch mit Empfehlungssystemen kombiniert werden. Hochschulen sollten dabei aktive Vordenker und Gestalter, nicht nur Nutzer externer, geschlossener Systeme sein. Open-Source-Lösungen bieten dafür nachhaltige Perspektiven.

Was war Ihre überraschendste Erkenntnis beim Einsatz von KI in der Lehre?
Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim: Am überraschendsten war für uns die ambivalente Haltung der Studierenden gegenüber KI in der Lehre: Einerseits nutzen viele KI-Tools in Alltagssituationen, zum Beispiel in ihren Smartphones, und wir nahmen deshalb an, von einer positiven Akzeptanz ausgehen zu können. Andererseits sind sie eher zurückhaltend und zeigen überraschend wenig Neugier, wenn KI unmittelbar in der Lehrveranstaltung angeboten wird. Eine mögliche Erklärung dafür: Aktuelle Studien zeigen, dass Studierende die Unterstützung durch KI schätzen, betonen jedoch auch die Unersetzlichkeit des direkten Austauschs mit Lehrenden. Dies unterstreicht – und diese Position teilen wir – dass KI die akademische Lehre bereichern kann, aber nicht das persönliche Gespräch zwischen Lehrenden und Studierenden ersetzen sollte. 
 

Wie müssen Gestaltungskonzepte aussehen, die die Qualität von digital-gestützten, intelligenten mentoriellen Prozessen studienbegleitend innerhalb eines intelligenten Bildungsnetzwerks (BNW) skalierbar machen? Mit diesen Leitfragen beschäftigt sich das BMBF-Verbundvorhaben tech4compKI.
 

Ziel ist der Auf- und Ausbau einer vernetzten Forschungsdateninfrastruktur, die es unter Einsatz innovativer Datenanalyseverfahren ermöglicht, hochschuldidaktische Handlungs- und Forschungsräume für Studierende und Lehrende DSGVO-konform und in öffentlicher Hand nachhaltig bereitzustellen.

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