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Die Energiewende kann kommen, zumindest für die Glasbläserwerkstatt an der Fakultät für Chemie und Mineralogie. Glasapparate für Labore brauchen viel Hitze, um Glas passend zu formen. Bislang kam dafür in der Glasbläserwerkstatt für die meisten Arten von Glas Erdgas zum Einsatz, für wenige auch schon Wasserstoff. Nun können die Glasapparatebauer alle gängigen Glasformen bearbeiten, indem Wasserstoff verbrannt wird. Dazu brauchte es einige Versuche, doch nun ist das Verfahren alltagstauglich. Hergestellt werden maßgefertigte Apparaturen für Experimente vor allem in den Fachbereichen Chemie, Physik und auch Medizin.

Stephan Eckert steht in der Glasbläserwerkstatt der Fakultät für Chemie und Mineralogie. Die Flamme, mit der er das Glas in die passende Form bringt, sieht etwas ungewöhnlich aus, etwas dunkelblauer mit weniger Gelb-Anteil. Der Grund: Hier wird nicht Erdgas, sondern Wasserstoff verbrannt. „Vom Dekanat sind wir im Frühjahr, nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, gefragt worden, welche Möglichkeiten es gibt, unseren energieintensiven Service aufrechtzuerhalten, sollte vor allem Erdgas knapp werden. Wir haben dann, auch im Austausch mit Kolleg:innen anderer Hochschulen und Forschungsinstitute, eine Lösung entwickelt, wie wir Wasserstoff für die Bearbeitung aller Arten von Glas dafür einsetzen können. Hilfreich dafür war, dass wir die entsprechenden Medien, also Leitungen, schon installiert und in Gebrauch hatten. Der Einsatz von Wasserstoff war für uns kein Neuland“, so Eckert, der Vorsitzender der Fachgruppe Glasapparatebauer beim Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks ist.

Für die Verformung von Quarzglas beispielsweise wurde bisher schon Wasserstoff genutzt, denn bei diesem Material kommt eine Schweißtechnik zum Einsatz, wofür eine hohe Verbrennungstemperatur benötigt wird, wie sie bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht. Die Flammentemperatur von Erdgas wäre dafür zu niedrig. „Für die Verformung von Borosilikatglas hingegen brauchen wir niedrigere Temperaturen, wie sie durch die Verbrennung von Erdgas entstehen. Unsere Aufgabe war es, eine Methode zu finden, wie wir Material wie Borosilikatglas auch mit Wasserstoffflammen auf niedrigerer Temperatur erhitzen können. Die Flammeneigenschaften unterscheiden sich. Wir haben herausgefunden, dass wir beim Einsatz von Flammen die durch Wasserstoff erzeugt werden, sensibler bei der Glasverarbeitung vorgehen müssen. Wenn wir an der Flamme die Glasposition nur minimal verändern, entstehen ganz andere Effekte.“

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist, wie ein Apparat aus Glas über der blauen Wasserstoffflamme gehalten wird, damit das Glas geformt werden kann.
Es waren einige Experimente nötig, um herauszufinden, in welcher Stellung die Wasserstoffflamme zum Glas gehalten werden muss, damit das Glas richtig geformt werden kann. Dafür sind Fingerspitzengefühl und Erfahrung…

Etwas Erfahrung hatte das Team um Marko Wende und Stephan Eckart also schon beim Einsatz von Wasserstoff als Energieträger: „Uns ging es darum, an unseren Grundtechniken im Handwerk zu feilen und die Eigenschaften der Wasserstoffflamme noch besser kennenzulernen, um Glasapparate mit Flammen niedrigerer Temperatur herstellen zu können.“ Dabei war das Team durchaus auf einige Überraschungen gefasst: dass Spannungen im Glas entstehen könnten oder dass durch den Einsatz von Wasserstoff zu viel Wasserniederschlag entstehen könnte, der noch dazu für die Hände zu heiß sein könnte, also Hautverbrennungen entstehen würden. „Das alles ist zum Glück nicht eingetroffen.“

Eineinhalb bis zwei Monate seien von der Erstellung des Konzepts bis zur Umsetzung vergangen, so Eckert. Vorsicht ist allerdings geboten: „Die Explosionsgefahr, wenn Wasserstoff auf Sauerstoff trifft, ist höher als bei Erd- oder Propangas. Deshalb ist es wichtig, die Räume gut zu belüften. Das ist bei uns gegeben. Außerdem hat unsere Werkstatt Wasserstoffsensoren. Man kann austretenden Wasserstoff nicht riechen. Und es braucht unterschiedliche, voneinander getrennte Leitungssysteme. Durch den hohen Wassergehalt kann es bei den Armaturen zu einem höheren Verschleiß kommen. Bei uns waren diese speziellen Wasserstoffleitungssysteme schon vorhanden.“

Momentan ist der Einsatz von Wasserstoff als Ersatz von Erdgas noch nicht wirtschaftlich. Beim Bearbeiten der meisten Glasarten kommt in der täglichen Anwendung Erdgas zum Einsatz. Doch möglich wäre es spätestens dann, wenn im kommenden Jahr noch die Kapazitäten für Wasserstoff in den Räumen der Glasbläserwerkstatt erhöht werden und Wasserstoff günstiger auf dem Markt beschafft werden kann als Erdgas.

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