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Maxi Kupetz interessiert es sehr, wie soziale Interaktion im Kontext Deutsch als Zweitsprache (DaZ) funktioniert. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Erforschung von kommunikativen Praktiken im Unterricht. Zum 1. April dieses Jahres wurde sie zur Professorin für Deutsch als Zweitsprache am Herder-Institut ernannt, war bis Ende August in Elternzeit und trat dann ihre Stelle als Professorin an. An der Universität Leipzig ist sie keine Unbekannte: Bereits im März 2022 ist Kupetz hierher gekommen, um das Studienkolleg Sachsen zu leiten.

Was haben Sie studiert – und wo?

Ich habe Europäische Medienkultur an der Bauhaus Universität Weimar und Information-Communication an der Université Lumière Lyon II als deutsch-französischen Studiengang studiert. Danach bin ich für einen Master of Arts im Fach Kommunikationslinguistik/Deutsch als Fremdsprache an die Universität Potsdam gewechselt. In dieser Zeit war ich auch für ein Semester an der Macquarie University in Sydney. 

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

In Potsdam wurde ich 2015 im Fach Sprachwissenschaft promoviert. Als Doktorandin und Postdoc war ich für Forschungsaufenthalte in Helsinki und an der University of California in Santa Barbara (UCSB). 2017 wurde ich dann als Juniorprofessorin für Interkulturelle Kommunikation und Lehrer:innenbildung an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen, wo ich nach der positiven Zwischenevaluation die Abteilung Deutsch als Fremd- und Zweitsprache leiten durfte. Da die Juniorprofessur befristet war, bin ich im Wintersemester 2021/2022 an die Leibniz Universität Hannover gewechselt, um dort die Professur für Germanistische Linguistik/Deutsch als Fremdsprache zu vertreten. Im März 2022 bin ich an die Universität Leipzig gekommen, um das Studienkolleg Sachsen zu leiten.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Mich interessiert, wie soziale Interaktion im Kontext Deutsch als Zweitsprache (DaZ) funktioniert: Wie und wozu wird Sprache oder werden Sprachen in Interaktion verwendet? Wie wird in und durch Interaktion gelernt? Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Erforschung von kommunikativen Praktiken im Unterricht (DaZ-Unterricht, sprachsensibler Fachunterricht oder fachsensiblen Sprachunterricht). Dabei arbeite ich vorwiegend mit Videoaufzeichnungen von schulischem Unterricht, die ich mit qualitativ-rekonstruktiven Methoden untersuche. Was mich daran fasziniert? Diese kommunikativen Praktiken sind ‚seen but unnoticed‘, um mit Garfinkel zu sprechen. Auch wenn sie also von den Beteiligten in der Regel nicht explizit wahrgenommen werden, so machen sie doch (DaZ-)Unterricht überhaupt erst aus. Solche Praktiken zu entdecken, kann wirklich augenöffnend sein. Denkt man hier weiter, so stellt sich unmittelbar die (kritische) Frage nach Beteiligungsmöglichkeiten und Lerngelegenheiten für Schüler:innen, deren Familiensprache nicht Deutsch ist. Und dann sind da noch die Haltungen von Akteuren im DaZ-Kontext, für die ich mich interessiere – Schüler:innen, (zukünftige) Lehrer:innen, Eltern – denn sie alle sind auf jeweils eigene Weisen an (erfolgreichen) Lernprozessen beteiligt. Aber klar: Einen Schwerpunkt machen Fragen der Lehrkräfteprofessionalisierung in der Migrationsgesellschaft aus. 

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

Über die o.g. Erforschung von Unterrichtsinteraktion und Mehrsprachigkeit hinaus möchte ich gern die Beziehungen zu Schulen mit DaZ-Angeboten stärken und dazu beitragen, ein genaueres Bild der sprachbildenden Angebote in Sachsen zu erhalten. Dazu gehören nicht nur eine Exploration von Vorbereitungsklassen und Sprachförderangeboten, sondern auch eine Betrachtung von herkunftssprachlichem Unterricht. Idealerweise schaffen wir es, durch eine Beforschung der Angebote zu ihrer Sichtbarkeit und Qualitätsentwicklung beizutragen. Es muss darum gehen, Netzwerk- und Unterstützungsstrukturen zu intensivieren, damit die Arbeit des Sprachelehrens nicht auf DaZ-Lehrkräfte ‚abgewälzt‘ wird, sondern damit sich alle Akteure in Schulen für sprachbildende Maßnahmen verantwortlich fühlen – Maßnahmen, von denen übrigens alle Schüler:innen profitieren. Darüber hinaus möchte ich genauer Praktiken des Lehrens und Lernens von DaZ unter Einbezug von digitalen Tools untersuchen; in diesem Bereich gibt es bisher zu wenig empirische Forschung. Es ist aber unabdingbar, Sprach(en)gebrauch und Charakteristika des DaZ-Lernens im digitalen Raum besser zu verstehen, um einerseits der digital geprägten Lebenswelt der Lernenden und andererseits den zukünftigen Bedarfen an sprachlichen und medialen Kompetenzen Rechnung zu tragen. 

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

Ich freue mich besonders auf die Module, in denen ich Forschung und Lehre verzahnen kann. In den kommenden Jahren werden wir die Modulstruktur des Lehramtserweiterungsfachs Deutsch als Zweitsprache überarbeiten, sodass ich dann Schwerpunkte wie Fallarbeit noch systematischer in die Lehre einfließen lassen kann. ‚Fälle‘ konstituieren sich immer aus einer tatsächlichen pädagogischen Situation. Diese Situation wird dokumentiert und damit dem distanzierten Blick zugänglich. So ein Fall also kann zum Beispiel aus einem Videoausschnitt und einem Transkript aus meinen Forschungsdaten bestehen. Bei der Fallarbeit geht es dann darum, eine forschende Haltung einzunehmen und zu einem tieferen Verstehen der Interaktionssituation zu kommen, und zu lernen, verschiedene Perspektiven wahrzunehmen und die eigenen normativen Orientierungen zu hinterfragen. Darüber hinaus freue ich mich auf das Modul ‚Mehrsprachigkeit‘, in dem unterrichtspraktische und empirische Projekte realisiert werden. Dabei lernen die Studierenden und ich hoffentlich gemeinsam dazu.

Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Ich hoffe, dass wir zukünftig ein vertieftes Verständnis von mehrsprachigen Interaktionspraktiken mithilfe von KI-gestützten Assistenzsystemen, wie z. B. Google Translate, entwickeln und dass sich durch niedrigschwellige Tools Partizipation in unserer Migrationsgesellschaft verbessert – ich denke da z. B. an die Schulmanager-App, die Elternbriefe in 23 Sprachen übersetzt, was nichts Besonderes sein sollte. Gleichzeitig ist es notwendig, dass wir die Funktionsbereiche von Sprach(en)gebrauch und technischer Unterstützung sowie die jeweiligen sprachlich-kommunikativen Anforderungen noch klarer ausbuchstabieren. So können Sprachlernangebote in Schule und anderen Bildungsinstitutionen verbessert und Bildungsungerechtigkeit verringert werden. Letztendlich braucht es vielfältige – jeweils situationsangemessene – mündliche und schriftliche Kompetenzen im Deutschen und in vielen anderen Sprachen: Für soziales Miteinander und die Auseinandersetzung mit Sachverhalten in einer komplexen Welt. 

Welche Hobbys haben Sie?

Tanzen. Dabei gibt’s eigentlich nichts, was mich nicht interessiert. Auf unterschiedlichen Niveaus habe ich schon verschiedenste Tänze ausprobiert: Standardformation, Zeitgenössischer Tanz, Swing, Bauchtanz, Sevillanas, Salsa, Tango… Tanzen kann so schön verbinden, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht: ob auf einer Verlobungsfeier in Çorum oder abends im Park in Wuzhen. 

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Aus Fehlern lernt man. 

Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich…“

…ein Ort der Rückkehr und des Neuanfangs gleichermaßen. 

Verraten Sie uns bitte noch wann und wo Sie geboren sind?

1984 – in Leipzig. 

Vielen Dank.

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