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Sprachwissenschaftlerin Dr. Kateryna Bilyk kannte die Universität Leipzig bereits vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine. So war sie mehrere Monate Stammgast in der Bibliotheca Albertina. Im März kehrte sie kriegsbedingt an ihre alte Wirkungsstätte nach Leipzig zurück. Die Germanistin bringt in Sprachkursen aus der Ukraine Geflüchteten Deutsch bei und fühlt sich in Leipzig wohl. Lieber jedoch würde sie in Kiew sein.

Dr. Kateryna Bilyk ist Dozentin für Deutsch als Fremdsprache am Studienkolleg Sachsen, welches an der Universität Leipzig angesiedelt ist. Dort gibt sie einen der drei Sondersprachkurse, die Geflüchtete aus der Ukraine fit in der deutschen Sprache machen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihr Studium hier beginnen oder fortsetzen können. „Derzeit habe ich einen Kurs mit 14 Geflüchteten, die ich montags bis freitags unterrichte“, erzählt Bilyk. „Darüber hinaus gebe ich auch in einem anderen Kurs Stunden.“ Die Kurse sind speziell für Geflüchtete aus der Ukraine – das sind nicht nur Ukrainer:innen, sondern auch Teilnehmer:innen aus Drittstaaten, die in der Ukraine studierten.

Dr. Kateryna Bilyk, die fast akzentfrei Deutsch spricht, hat selbst Germanistik an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew studiert. Dort promovierte sie anschließend über Rainer Maria Rilke. Dabei untersuchte sie in einer Korpus-linguistischen Studie Assoziationsnetzwerke in Texten des Dichters. Bis zum Kriegsausbruch lehrte sie auch an der Universität zur „Sprache deutscher literarischer Texte im 20. Jahrhundert“. Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine änderte sich alles. „Man überlegt ständig: Trifft heute eine Rakete unser Haus oder nicht? Sollten wir jetzt in den Keller gehen oder können wir oben bleiben?“, schildert Bilyk ihre Erfahrungen. „Dies wünsche ich keinem“, fügt sie hinzu. Insbesondere die ersten Tage und vor allem die Nächte seien sehr erschreckend gewesen, „danach lernt man, etwas Abstand zu nehmen, doch die innere Anspannung ist immer da.“

Gleichzeitig Lehren in Leipzig und Kiew

Zunächst floh Kateryna Bilyk gemeinsam mit ihrem deutschen Ehemann und ihrem zweijährigen Sohn in einen anderen Ort in der Ukraine. „Mein Mann und ich dachten, wir könnten bald wieder zurück nach Kiew – denn wir hatten uns bewusst dafür entschieden, in der Ukraine zu leben“, sagt sie. „Aber es ist schwierig, nicht zu wissen, wie und wann es weitergeht, man konnte nicht so viel machen“, sagt sie. „Im Grunde war dies eine verlorene Zeit.“ Daher entschied sich die Familie im März doch dazu, nach Deutschland zu gehen. Leipzig war für Bilyk bereits ein bekanntes Pflaster: Während ihres Studiums hatte sie hier bereits zwei Monate im Rahmen eines Studienaustausch-Programms ihrer Universität mit dem Herder-Institut verbracht. Nach ihrer Promotion kam sie mehrmals zu Forschungszwecken in die Messestadt zurück. „Die Albertina kenne ich gut, ich nutze die Zeit auch jetzt, weiter zu meinen eigenen literatursprachlichen Themen zu forschen“, so Bilyk.  

Als es im Mai mit den ersten Kursen am Studienkolleg losging, schloss die Sprachwissenschaftlerin noch parallel ihre die Lehrtätigkeit des auslaufenden Semesters an ihrer Heimatuni in Kiew ab, online. Denn trotz des Kriegs läuft der Universitätsbetrieb an vielen Orten weiter, verbunden mit Umständen und Unwägbarkeiten für Lehrende und Studierende. Bilyks jetziger Vertrag für ihre Lehrtätigkeit am Studienkolleg Sachsen ist bis Mitte Februar 2023 ausgelegt; die Kurse des Studienkollegs sind unabhängig von den Semestern der Hochschulen. „Auch wenn hier zu unterrichten eine wunderbare Möglichkeit für mich ist, über die ich mich sehr freue, würde ich perspektivisch gern nach Kiew zurückkehren“, sagt Kateryna Bilyk. Dort sei nach wie vor ihr Lebensmittelpunkt. „Ich möchte in der Ukraine nützlich sein“, so die Dozentin. „Am liebsten wäre es mir jedoch, wenn es möglich wäre, beide ‚Welten‘ in einem gegenseitig nützlichen Austausch zu verbinden.“

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