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Viele Studierende zieht es während ihres Studiums in die Ferne: Die Welt entdecken! Manche entdecken die Welt auch nach ihrem Studium. Inga Wilke fühlt sich zur arabischen Welt hingezogen. Sie arbeitet als Projektmanagerin für die Deutsch-Türkische Jugendbrücke. Ihr Weg dorthin führte sie unter anderem von Leipzig in den Nahen Osten: nach Kairo und Saudi-Arabien. Ein Portrait.

Im Arabischen gibt es 14 Begriffe für Liebe. Sie beschreiben das Gefühl von seiner schwächsten bis hin zu seiner stärksten Ausprägung. Inga Wilke studierte Sprachwissenschaften in Bielefeld, als sie ihre Faszination für das Arabische entdeckte. Nach und nach lernte sie, was die fremden Schriftzeichen und Laute bedeuten. Heute, mit 29 Jahren, hält die Projektmanagerin Reden auf Arabisch. Ihr gesamtes berufliches Leben dreht sich um den Nahen Osten und Nordafrika. Was die 29-jährige an jenem Teil der Erde reizt? „In Deutschland betrachten wir die Region häufig als ein großes Konstrukt, verbunden mit Krisen und Konflikten“, sagt sie. Wilke wollte die Länder nicht länger durch vorgefertigte Filter betrachten. Sie wollte sich ein eigenes Bild machen.

Nach ihrem Bachelor-Abschluss 2017 schreibt sie sich für einen binationalen Master-Studiengang ein: Deutsch als Fremdsprache im deutsch-arabischen Kontext, einem gemeinsamen Angebot des Herder-Instituts an der Universität Leipzig und der Ain-Schams-Universität in Kairo. „Ich habe ausschließlich schöne Erinnerungen an das Studium“, sagt Wilke. Die meiste Zeit verbringt sie in Kairo. Nach dem obligatorischen Austauschsemester macht sie ein Praktikum in der ägyptischen Hauptstadt. Dort lernt sie auch ihren Mann kennen. Sie reist in Länder wie Jordanien und Palästina; ihr Bild setzt sich allmählich zusammen.

Ein wichtiges Puzzleteil fehlt Wilke zu diesem Zeitpunkt noch: Saudi-Arabien. Sie bewirbt sich für ein Praktikum im Generalkonsulat in der Hafenstadt Dschidda. Kurz darauf erhält sie die Zusage. Vor ihrem Aufenthalt habe sie einige Vorbehalte gehabt, sagt Wilke: Sie denkt an Menschenrechtsverletzungen, Zensur und strenge Dogmatiken. „Das Land und die Gesellschaft sind von außen schließlich kaum einsehbar.“

Saudi-Arabien erlebt Wilke dann auch als eines der Länder, das sie am stärksten herausfordert. Es sei schwer gewesen, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen, sagt sie. Ihr gelingt es trotzdem. Sie erlebt den ersten G-20-Gipfel in der arabischen Welt, reist nach Mekka, organisiert Veranstaltungen mit saudischen Künstler:innen. Zusätzlich führt sie Projekte an der Effat-Universität durch, an der ausschließlich Frauen studieren. „Ihre Geschichten und ihr Ehrgeiz haben mich zum Umdenken gebracht, sagt Wilke. Wenn sie von Saudi-Arabien spricht, dann beschreibt sie ein Land im Wandel. Eines, das sich in rasantem Tempo öffnet. Im März 2020 muss Wilke wegen der Corona-Pandemie frühzeitig abreisen. Sie weiß jetzt schon, dass sie eines Tages zurückkehren wird. „Es gibt noch so viel, das ich entdecken will.“

Heute lebt Wilke in Düsseldorf und arbeitet als Projektmanagerin für die Deutsch-Türkische Jugendbrücke. Ihr Fokus liegt auf der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Wer weiß, sagt sie, vielleicht werde sie eines Tages für immer nach Nordafrika oder in den Nahen Osten ziehen. Was Wilke mit Blick auf die arabische Welt fühlt, beschreibt der Begriff für die achte Stufe der Liebe am besten: Al-Shawq – Sehnsucht.

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