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Mitte des 19. Jahrhunderts setzten in Leipzig die Bemühungen um das Frauenstudium ein. Im Wintersemester 1873 saßen nachweislich die ersten Frauen in den Hörsälen. Doch auch schon vorher spielten sie durchaus eine Rolle im akademischen Leben.

Schon das Siegel der Leipziger Universität von 1409 bildete mit der Gottesmutter eine Frau ab. Die Heilige Hedwig fungierte als Beschützerin des Liebfrauenkollegs, Rektor Thilo von Trotha stellte sich 1506 unter den Schutz der Heiligen Barbara. Reale Frauen waren hingegen an der mittelalterlichen Universität Leipzig unerwünscht. Magister und Scholaren wohnten gemeinsam in den klosterähnlich organisierten Studentenbursen und Kollegienhäusern, wo Frauen mit Ausnahme der Köchinnen keinen Zutritt hatten. Die Magister lebten im Zölibat – zumindest in der Theorie, denn das Frauenverbot wurde trotz drastischer Strafandrohungen immer wieder umgangen.

Die Rolle der Professorengattinnen

Nach der Reformation und dank Luthers Vorstellungen von der christlichen Familie konnten auch die Akademiker der Universität ab 1539 endlich heiraten. Die Professorengattinnen waren für die Führung des Haushalts, die Erziehung der Kinder und das religiöse Leben der Familie zuständig. Doch sie übernahmen auch akademische Aufgaben: Bis in das Jahr 1741 war nicht der Dekan, sondern seine Ehefrau für das Gelehrtenmahl anlässlich der Promotionen verantwortlich. Seit dem 18. Jahrhundert begnügten sich einige Professorengattinnen nicht mehr mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter. Im Damensalon von Luise Gottsched (1713–1762), Ehefrau des berühmten Leipziger Professors, widmeten sich die Gäste der Literatur, Musik, philosophischen Disputen und modernen Fremdsprachen.

Noch in der frühen Neuzeit erwartete man von den Studenten die Ehelosigkeit. Tatsächlich hatten viele der jungen Männer allerdings eine Liebschaft unter den Bürgerstöchtern der Stadt. So auch Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), der in seiner Leipziger Studienzeit mit der Wirtstochter Anna Katharina Schönkopf, genannt Käthchen, anbandelte.

1873: Erste Frauen in den Hörsälen

Zur Mitte des 19. Jahrhunderts, analog zu den Bildungsbestrebungen der Arbeiter, setzten auch Bemühungen um das Frauenstudium ein. Dahinter stand die bürgerliche Frauenbewegung, deren Zentrum Leipzig war. 1865 hatte sich hier mit dem Allgemeinen Deutschen Frauenverein um die Publizistinnen Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt der erste rein weibliche Verein etabliert. Im Wintersemester 1873 saßen nachweislich die ersten Frauen in den Hörsälen: die adligen Russinnen Elisabetha von Boguslawsky und Lydia von Karganoff. Frauen konnten jedoch als Gasthörerinnen nur dabei sein, wenn der jeweilige Professor es erlaubte. Gerade in der Medizin war es aus Sicht der Männer nicht „schicklich“, Frauen mit nackten Körpern von Patienten zu konfrontieren. Als Gasthörerinnen durften Frauen nicht an Prüfungen teilnehmen und keine formalen Hochschulabschlüsse erwerben.

Langsam stieg die Zahl der Frauen in den Vorlesungen, dennoch waren die zumeist bürgerlichen Damen eine Minderheit in der Universität. So waren im Jahr 1879 etwa 3.000 Studenten eingeschrieben, dazu kamen noch 118 Gasthörer – darunter waren nur zehn Frauen. Bei den Professoren der Universität herrschte insgesamt Uneinigkeit, was die Zulassung von Frauen zu Lehrveranstaltungen betraf. Das Kompetenzgerangel mit dem Ministerium in der Frauenfrage sorgte sogar dafür, dass seit 1882 gar keine Gasthörerinnen mehr zugelassen wurden. Erst zum Wintersemester 1896 konnte sich eine Berliner Studentin wieder als Gasthörerin in Leipzig einschreiben. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Bildungschancen für junge Frauen schon erheblich gebessert. In Süddeutschland und Preußen konnten Mädchen bereits das Abitur ablegen und sich an den Universitäten immatrikulieren. Um die Jahrhundertwende wurde die Alma Mater Lipsiensis für Frauen immer attraktiver: Im Jahr 1900 nahmen schon 89 Frauen als Gasthörer an den Lehrveranstaltungen teil.

1906: Erste Frau mit Namen im Matrikelbuch der Universität

Die Frauenfrage wurde für die Universität Leipzig nun zum Standortnachteil, schließlich wurde daher das ministerielle Studienverbot aufgehoben. Die 20-jährige Martha Beerholdt schrieb am 19. April 1906 als erste Frau ihren Namen in das Matrikelbuch der Universität Leipzig. Mit ihr studierten im Sommersemester 1906 noch 26 weitere junge Damen, darunter viele Absolventinnen der Gymnasialkurse des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Eine der älteren Studentinnen, die mit immerhin 43 Jahren ein Studium aufnahm, war die Witwe Katharina von Garnier.
Die Immatrikulation blieb für Frauen jedoch zunächst noch mit Einschränkungen verbunden – die Dozenten konnten den Studentinnen willkürlich die Teilnahme an Übungen und Vorlesungen verweigern. Nur langsam stieg der Frauenanteil unter den Studierenden, von anfangs 0,65 Prozent auf knapp 5 Prozent im Jahr 1914. Wie ihre Mitstudenten organisierten sich die jungen Frauen in studentischen Verbindungen. Schon 1906 wurde der Verein immatrikulierter Studentinnen zur Förderung der Interessen von studierenden Frauen gegründet. Später gründeten sich weitere, teils konfessionelle Verbindungen, wie die Deutsch-Christliche Vereinigung studierender Frauen (1916) und der Verein katholischer Studentinnen St. Hildegard (1925). Natürlich veranstalteten die Studentinnen auch gemeinsame Vergnügungen, wie Wanderungen, Bierabende und Sportveranstaltungen.

In Zeiten der Weimarer Republik

Vor dem Ersten Weltkrieg schrieben sich die meisten Leipziger Studentinnen bei der Philosophischen Fakultät ein. Diese Fakultät bot eine Vielzahl von Fächern, wie Sprachen, Geschichte, Nationalökonomie, Naturwissenschaften und Pharmazie an. Auch Medizin und Zahnmedizin waren bei den Damen beliebt. Martha Beerholdt, die erste Leipziger Medizinstudentin, eröffnete 1918 eine eigene Praxis, die sie bis kurz vor ihrem Tod betrieb. Für die Fächer Jura und Theologie entschieden sich Frauen dagegen nur sehr vereinzelt, denn Karrieren als Pfarrerinnen, Richterinnen oder Rechtsanwältinnen blieben ihnen gesetzlich versperrt.

Auch in den höheren Verwaltungsdienst konnten Frauen erst seit der Weimarer Republik eintreten. Bei einer Eheschließung folgte faktisch Berufsverbot, da im öffentlichen Dienst keine verheirateten Frauen beschäftigt wurden. Jede wirtschaftliche Tätigkeit der Ehefrau unterlag der Zustimmung des Mannes.

An der Universität waren die Karrierechancen für Frauen noch schlechter. Bis 1918 hatten 38 Frauen an der Alma Mater Lipsiensis promoviert. Habilitationen wurden gesetzlich erst in der Weimarer Republik möglich. Bis 1933 zählte die Universität lediglich zwei Habilitandinnen. Eine von ihnen war Martha Schmidtmann (1892–1981), die 1930 zur außerordentlichen Professorin für pathologische Anatomie ernannt wurde.

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