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Wo heute Pizza und Pasta vor den Augen der Gäste zubereitet werden, wurde vor über 180 Jahren am Augustusplatz französische Kaffeekunst zelebriert. Das Café Felsche brachte im 19. Jahrhundert einen Hauch von Paris nach Leipzig. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Paulinerkirche wird sich sicherlich der ein oder andere Professor einen Kaffee oder ein süßes Törtchen gegönnt haben.

Der geschäftige Konditor und Schokoladenfabrikant Wilhelm Felsche (1798 – 1867) erwarb am 21. Juni 1834 ein Stück vom Grund des ehemaligen Dominikanerklosters – gegen eine jährliche Rente von 12 Reichstalern und 10 Neugroschen.[1] Unmittelbar neben der damaligen Paulinerkirche ließ er innerhalb von sechs Monaten ein dreistöckiges Gebäude mit Flanierterrasse bauen, dass mit seinem Kaffeehaus zeitweise zu einem der vornehmsten Adressen Leipzigs werden sollte. Immerhin ein Stammkunde ist überliefert: Erich Kästner besucht das Café hin und wieder in seiner Studienzeit in Leipzig.

Felsche hatte bereits in Gohlis eine Schokoladenfabrik, doch nun wollte er mit dem Café am Augustusplatz seinen Umsatz erhöhen. Auf seiner Gesellenreise lernte der Zuckerbäcker die französische Kaffeehauskultur kennen und verarbeitete seine Eindrücke im 1835 eröffneten Café français. In seiner Anzeige eines Tageblatts schrieb er: „Ich habe demnach in meinem neu erbauten Hause: Ecke der Grimm. Gasse und Promenade, ein CAFÉ FRANÇAIS errichtet, welches die Annehmlichkeiten der in Frankreich so beliebten Etablissements darbietet. Durch ausgezeichnete gute Waaren, reelle Bedienung und höchste Reinlichkeit hoffe ich mir den Beifall eines geehrten Besuches zu erwerben.“[2]

Und die Kundschaft ließ nicht lange auf sich warten. Der Andrang war zum Teil so groß, dass er etwa für die Weihnachtsausstellung vier Groschen Eintritt nahm. Während sich die Gäste in mehreren Gasträumen leckere „Deserts, Bonbonieren, Atrappes“[3] schmecken ließen, wurde im Keller des Gebäudes Schokolade hergestellt. Besonders in den Kriegsjahren werden sich viele Leipzigerinnen und Leipziger hungernd und schwelgend die Nasen an den Kaffeehaus-Fenstern platt gedrückt haben. 1916 empfahl das Polizeiamt sogar, Gardinen „zur Verhinderung des Anblickes der Leckerei verzehrenden Personen“ anzubringen. Doch es half nichts: Im Juli 1923 wurde das Kaffeehaus von hungernden Frauen und Männern gestürmt, im Oktober 1925 sogar in Brand gesetzt.[4]

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges musste sich auch das berühmte Café einen neuen Namen geben, denn Deutschland hatte Frankreich gerade den Krieg erklärt. So hieß es ab 1914 eingedeutscht „Kaffeehaus Felsche“. Die fast 110 Jahre währende Kultur des französischen Cafés findet ein jähes Ende, als das Haus am Augustusplatz 1943 bei einem Luftangriff auf Leipzig zerstört wird.

 

 

[1] Vgl. „Das Augusteum der Universität Leipzig, die Paulinerkirche und das Café Felsche, um 1928“,

Universitätsarchiv, https://www.universitaetsarchivleipzig.de/das-augusteum-der-universitaet-leipzig-die-paulinerkirche-und-das-cafe-felsche-um-1928/

[2] Vgl. Ulla Heise: Café français – Kaffeehaus Felsche – 1835–1943. In: Leipziger Blätter. Nr. 6, 1985, ISSN 0232-7244, S. 52 ff.

[3] Ebd.

[4] Ebd., S. 53.

 

Katarina Werneburg

 

  • Kommentar von Tobias Eckart am 8.4.2022 um 15:43:
    Man könnte ins Schwelgen kommen! Als Paulinumsmanager bedaure ich es manchmal ein bisschen, dass der „Nachbar“ jetzt italienische Systemgastronomie ist.

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