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Geht es um die Digitalisierung an den Schulen, fällt die Zwischenbilanz in vielen Familien und in der öffentlichen Debatte bestenfalls durchwachsen aus. „Schulen müssen eigenständiger und flexibler auf digitale Anforderungen reagieren können“, fordert Dr. Jürgen Ronthaler, Direktor des Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig. Wer in der Verantwortung steht, die Digitalisierung an den Schulen voranzutreiben, und welche Maßnahmen dabei hilfreich wären, machte er bei der ersten Ausgabe der neuen Online-Veranstaltungsreihe „Ihre Fragen – unsere Antworten“ der Universität Leipzig deutlich.

Als erster Gesprächspartner in dem neuen Format, bei dem Expertinnen und Experten der Universität Leipzig Publikumsfragen zur Corona-Pandemie beantworten, fasste Jürgen Ronthaler seine Sicht auf das Thema „Schulen und digitale Medien im Lockdown“ zusammen.
Seine Thesen stellen wir hier vor:

  1. Es gibt eine starke Zunahme bei der Wahrnehmung digitaler Lernangebote: Schon im ersten Quartal 2020 haben laut Statistischem Bundesamt 59 Prozent der 10- bis 15-Jährigen digitale Lernplattformen oder -portale genutzt. Ein Jahr zuvor waren es noch 8 Prozent.
  2. Es darf nicht nur eine, insbesondere die eigene Perspektive wahrgenommen werden, wenn man die Komplexität des Dreiklangs „Schule/Lockdown/Medien“ adäquat erfassen will.
  3. Es sollten nicht einzelne Schuldige ausgemacht werden („DER Lehrer“ / „DIE Lehrer“/ „DIE Eltern“/ „DIE Schüler“ / „DIE Politiker“); vielmehr waltet hier Vielfalt, es gibt Licht und Schatten – und Zwischentöne. Und oft auch echtes Bemühen.
  4. Man darf nicht bei der (oft negativen) Darstellung der Situation stehenbleiben, sondern muss sie produktiv nach realistischen Entwicklungsansätzen durchsuchen.
  5. An Schulen gibt es große Unterschiede bei den Lehrenden, den Lernenden und bei der Ausstattung hinsichtlich der technischen Möglichkeiten sowie der Kompetenzen.
  6. Es sind Versäumnisse von Politik und Wirtschaft zu verzeichnen, aber auch von Individuen. Vom einzelnen Reagieren muss man zum vernetzten Agieren kommen.
  7. Wichtige Maßnahmen wären die digitale Nachrüstung an den Schulen, digitale Kompetenzzentren für Schulen sowie Medienbildung als Pflichtbestandteil in der Lehrerbildung und an der Schule (für Schüler als einzelnes Fach oder vernetzt über die Fächer). Ein entsprechendes Pflichtmodul im Lehramtsstudium an der Universität Leipzig ist für das kommende Wintersemester in Planung.
  8. Die für die Digitalisierung notwendige Technik sollte durch die öffentliche Hand UND durch private Partner finanziert werden. Es ist wichtig, dass Geräte zentral gewartet werden können, aber auch das Motto „Bring your own device“ kann schnell Abhilfe schaffen, wo es möglich ist.
  9. Es werden hauptamtliche Medien- und IT-Verantwortliche an jeder Schule benötigt.
  10. Datenschutz muss praktikabel sein und nicht nur Verbote beinhalten.
  11. Der Lockdown ist einer Naturkatastrophe geschuldet, aber auch ein enormer Beschleuniger der Digitalisierung: Wir springen etwa zehn Jahre voran und verändern Gesellschaft und damit auch Schule.

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  • Dr. Jürgen Ronthaler
    ist Direktor des Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung (ZLS) an der Universität Leipzig. Das ZLS bildet eine Schnittstelle von Forschung, Lehre und Transfer innerhalb der Universität und steht gleichzeitig in engem Kontakt mit Studierenden, Lehrerinnen und Lehrern, Seiteneinsteigerinnen und -einsteigern sowie mit den zuständigen Ministerien und Behörden in Sachsen. Durch die Begleitung von Schulpraktika und die Umsetzung von Projekten an und mit Schulen gewinnen die Mitarbeitenden des ZLS regelmäßig authentische Einblicke in den sächsischen Schulalltag.
  • Die nächste Ausgabe von „Ihre Fragen – unsere Antworten“
    behandelt das Thema Stress und Wohlbefinden in der Covid-19-Pandemie. Als Experte steht am Donnerstag, 25. März 2021, um 19:00 Uhr der Arbeitspsychologe Prof. Dr. Hannes Zacher Rede und Antwort.

 

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