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Der Fund zweier besonderer Klarinetten ist Anlass dafür, dass fünfzehn Master-Studierende verschiedener Studiengänge und Hochschulen im Rahmen eines Seminars lernen, wie eine Ausstellung konzipiert, die Medienkompetenz erweitert und die wissenschaftliche Quellenarbeit ausgeprägt wird. „Lost and found“ heißt die virtuelle Klarinettenausstellung, die seit Juni geöffnet ist und multimedial sowohl allgemein Interessierten, als auch Musikexpert:innen und Wissenschaftler:innen eine facettenreiche Welt der Klarinette offenbart. Vom Kick off bis zur Eröffnung vergingen sechs Wochen.

„Die digitale Ausstellung hat das Ziel, Instrumente zu zeigen, wie man sie sonst nicht sieht und sie ist so konzipiert, dass sich der Besucher sowohl allgemein zur Klarinette informieren kann, als auch stärker in das Thema einsteigen kann“, so Musikwissenschaftlerin Dr. Heike Fricke, die gemeinsam mit Prof. Dr. Josef Focht das Seminar leitete. „Ausgangspunkt dieser Klarinettenausstellung ist der Fund zweier besonderer Instrumente, die mehr als ein halbes Jahrhundert als verschollen galten und denen von je her das Interesse der Musikforschung galt.“ Nun haben sie glücklicherweise den Weg in die Forschungsstelle Digital Organology am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig gefunden.“

  • „Wir Studierende haben uns von der Begeisterung für dieses Instrument anstecken lassen."
    Fabian Everding, Student

 

„Die Klarinette hat in den vergangenen Jahrhunderten eine enorme Entwicklung durchlaufen, ihre Funktionalität wurde stetig erweitert. Wir zeichnen in unserer Ausstellung die Entwicklung nach und erklären sie – oder lassen sie von ausgewiesenen Expert:innen erklären“, so Fabian Everding, der als Student am Seminar teilnahm und nun wissenschaftliche Hilfskraft beim Musikinstrumentenmuseum ist. „Wir Studierende haben uns von Frau Dr. Fricke und ihrer Begeisterung für dieses Instrument anstecken lassen und mit riesigem Elan diese Ausstellung konzipiert und realisiert.“ Die Ausstellungsstücke wurden selbst fotografiert, in selbst produzierten professionellen Videos werden Klarinetten vorgeführt, zeigt beispielsweise der bekannte Klarinettist und Instrumentenbauer Jochen Seggelke in seiner Bamberger Werkstatt das gesamte Spektrum dieses Instruments.

Statt Präsenz- nun virtuelle Multimedia-Ausstellung, wissenschaftliches Symposium inklusive

„Ursprünglich sollte es eine klassische Klarinettenausstellung bei uns im Museum werden, mit einem Auftaktkonzert und Schauvitrinen. Pandemiebedingt mussten wir das Seminar aber um ein Jahr verschieben. Doch auch da war eine solche Ausstellung nicht möglich, also haben wir umgestellt auf die Online-Variante. Im Nachhinein ist das ein Glücksfall, weil sie so vielschichtiger geworden ist und von Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt besucht werden kann“, so Fricke. „Zur Ausstellungseröffnung veranstalteten die Studierenden ein Online-Fachsymposium mit Teilnehmer:innen aus der ganzen Welt.“ Schließlich sei die Klarinette ein „leidenschaftliches Expertenthema“. Dabei ist diese Ausstellung auch Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit. Im Rahmen wissenschaftlicher Recherchen haben die Studierenden eine Schatzkiste gefunden oder auch historische Lexika-Einträge, die es auszuwerten und einzuordnen galt. „Es waren Funde dabei, die auch mich überrascht haben“, so die Musikwissenschaftlerin.

  • "Letztlich geht es um die Fragen: Wie konzipiere ich eine Ausstellung fürs Publikum unter Einbeziehung der Forschung? Wie vermittele ich Wissenschaft leicht verständlich? Es geht um den interdisziplinären Betrieb eines Universitätsmuseums in Forschung, Lehre und Transfer.“
    Dr. Heike Fricke

 

Wie klingen bzw. klangen eigentlich historische Instrumente? „Wenn ein Blasinstrument, das mehrere Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte alt ist, gefunden wird, kann man es nicht einfach spielen. Das Material war Umwelteinflüssen ausgesetzt, es hat sich verzogen, Klappen sind so vielleicht nicht mehr genau dort angeordnet, wo sie einst waren, die heutigen Maße stimmen mit den damaligen nicht mehr überein, je nachdem, unter welchen Bedingungen die Instrumente die Zeit überdauert haben. Und durch das Spielen eines solchen Instruments gelangt über die Atemluft Feuchtigkeit in sein Inneres, die dem Erhalt nicht zuträglich ist", beschreibt Student Fabian Everding ein Dilemma. „Wie ein historisches Instrument einst geklungen hat, können wir nur durch einen Nachbau erfahren. Das heißt, es muss Maß genommen, das geeignete Material ausgesucht werden und man muss herausfinden, wo die Klappen und Löcher einst saßen, wie groß sie waren, in welchem Abstand und wie das Mundstück beschaffen war. Erst dann wissen wir, wie eine Klarinette aus dem 18. Jahrhundert tatsächlich klang. Tonaufnahmen aus dieser Zeit gibt es ja nicht.“ Wie das passiert erfährt man in der Ausstellung. Und eine Studentin erklärt in einem Video, warum eine Klarinette so gebaut ist, wie sie gebaut ist.

Ausstellung ist interdisziplinäres Projekt

Die Seminar-Teilnehmer:innen studieren unter anderem Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft und kommen von den Universitäten in Halle und Leipzig, der Hochschule für Musik und Theater (HMT) und der FH Potsdam. „Die Forschungsstelle Digital Organology verfolgt einen Service-Learning-Ansatz. Dokumentationsmethoden, wissenschaftliche Recherche, Medienkompetenz – diese Kenntnisse haben die Studierenden innerhalb des Seminars erlernt bzw. weiterentwickelt. Letztlich geht es um die Fragen: Wie konzipiere ich eine Ausstellung fürs Publikum unter Einbeziehung der Forschung? Wie vermittele ich Wissenschaft leicht verständlich? Es geht um den interdisziplinären Betrieb eines Universitätsmuseums in Forschung, Lehre und Transfer“, unterstreicht Dr. Heike Fricke den ganzheitlichen Ansatz.

  • „Ein Instrument real als Gegenstand vor sich zu sehen, auch wenn es ‚nur‘ hinter Glas ist, ist durch keine Online-Ausstellung der Welt zu ersetzen.“
    Dr. Heike Fricke

 

Die Online-Ausstellung hat für das Seminar unter diesen Aspekten gegenüber einer Präsenz-Ausstellung einige Vorzüge, so Fabian Everding: „Zwar werden auch bei einer Präsenz-Ausstellung Medien, beispielsweise Videos, eingesetzt, aber das Weiterscrollen oder das Hängenbleiben bei interessanten Informationen, das Springen innerhalb der Ausstellung, das Zurückspulen oder Zurückblättern – das alles kann nur die Online-Variante so bieten.“ Man kann sich in dieser Ausstellung verlieren, eintauchen – oder weiter scrollen. „Dennoch ersetzt eine Online-Ausstellung natürlich nicht eine Ausstellung in Präsenz“, ergänzt Dr. Heike Fricke. „Ein Instrument real als Gegenstand vor sich zu sehen, auch wenn es ‚nur‘ hinter Glas ist, ist durch keine Online-Ausstellung der Welt zu ersetzen.“ Auch wenn die Ausstellung „Lost and found“ seit einem halben Jahr geöffnet ist - fertig ist sie nicht. „Das Projekt wird stetig weiterentwickelt“, verspricht Fricke.

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