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Während der Promotion oder in der Phase als Postdoc kann es aus den unterschiedlichsten Gründen zu Konflikten zwischen Promovierenden, Postdocs, Betreuenden und weiteren Akteurinnen und Akteuren kommen. Sollten die Beteiligten diese nicht selber lösen können, gibt es die Möglichkeit, sich vertraulich an die Schlichterin beziehungsweise den Schlichter der Universität zu wenden. Seit Ende 2020 haben Dr. Nadja Walter und Prof. Dr. Roderich Barth das Amt inne. Sie wurden vom Rektorat für eine Amtszeit von zwei Jahren bestellt und stehen allen Personen in der wissenschaftlichen Qualifizierungsphase sowie deren Betreuenden, Mentorinnen und Mentoren als neutrale Anlaufstelle zur Verfügung. Sie berichten im Interview von ihrer Arbeit und stellen sich in einem Video-Statement am Ende des Artikels kurz persönlich vor.

Was reizt Sie an der Aufgabe der Schlichterin beziehungsweise des Schlichters?

Nadja Walter: Meine Motivation ist ganz klar der Wunsch, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während der Zeit ihrer Qualifikation zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, konfliktreiche Situationen oder Spannungen selbstständig zu bewältigen. Es geht mir dabei insbesondere um den Austausch und die Kommunikation. Ich sehe diese Begleitung als eine besondere Verantwortung und nehme das als Wertschätzung wahr.
Gleichzeitig reizt mich diese neue Aufgabe auch im Sinne der Herausforderung, mich in andere Fachgebiete einzudenken, da Anfragen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Forschungsbereichen kommen können, in denen eine unterschiedliche Praxis oder Wissenschaftskultur gelebt wird. Aus dieser Perspektive sehe ich die Aufgabe als Schlichterin demnach auch als Möglichkeit, mich selbst weiterzuentwickeln.

Roderich Barth: Auf allen Stationen meiner akademischen Laufbahn spielte die intensive Betreuung und Begleitung von Graduierten eine besondere Rolle. Die hierbei möglichen Konfliktdimensionen sind mir daher sowohl aus der Perspektive des Promovierenden, aus der Perspektive eines Assistenten und Vermittlers zwischen Promovierenden, Postdocs und ihren Betreuenden beziehungsweise Mentorinnen und Mentoren als auch aus der Perspektive des Betreuers beziehungsweise Vorgesetzten selbst bekannt. Daher reizt es mich, meine fast 25-jährige Erfahrung aus diesem Bereich in das Amt des Schlichters einzubringen.

Wer kann sich an Sie wenden und wie erreicht man Sie?

Roderich Barth: Für ein Gespräch stehen wir sowohl Promovierenden, Postdocs als auch Betreuerinnen und Betreuern beziehungsweise Vorgesetzten zur Verfügung. Für die Kontaktaufnahme und individuelle Verabredung eines Gesprächstermins und einer adäquaten Gesprächsform können Sie mich am besten per Email erreichen.

Nadja Walter: Wir sind vor allem Ansprechpersonen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Promovierende und Postdocs. Gern können sich aber auch andere Personen an mich wenden, wenn es um eine Beratung in Konfliktsituationen geht. Gegebenenfalls vermittle ich Sie dann an ein anderes Gremium weiter.
Am besten erreicht man mich derzeit per E-Mail. Das erscheint mir am unverfänglichsten. Ich bin aber auch gern per Telefon erreichbar. In jedem Fall ist mir das persönliche Gespräch, ob am Telefon, via Videochat oder in Form eines persönlichen Treffens sehr wichtig.

Was sind Beispiele für Situationen, in denen sich Promovierende und Postdocs an Sie wenden können?

Roderich Barth: Ein Szenario könnte sein, dass Sie der Meinung sind, dass etwas in Ihrem Betreuungsverhältnis dem eigenen Selbstverständnis widerspricht und zunehmend einer nachhaltigen Arbeit im Weg steht, Sie aber zugleich fürchten, dass ein direktes Gespräch für eine Klärung ungeeignet ist. Dann macht es Sinn, dass Sie sich an eine dritte Person wie eine Schlichterin oder einen Schlichter wenden.

Nadja Walter: Aus meiner Erfahrung als Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Kontext und im Zusammenhang mit den Weiterbildungen zur guten wissenschaftlichen Praxis könnten möglich Konflikte mit Anzahl und Umfang der zu übernehmenden Arbeitsaufgaben und Lehrveranstaltungen im Rahmen befristeter Arbeitsverträge zusammenhängen. Aber auch Konflikte bei Fragen zu Autorschaft oder zum Umgang mit Daten, wenn Verträge enden, sind denkbar. An dieser Stelle möchte ich gern sagen (auch wenn es vielleicht etwas banal klingt): Es gibt keine dummen Fragen!

Wie würden Sie an eine Konfliktsituation herangehen, worauf kommt es aus Ihrer Sicht dabei vor allem an?

Roderich Barth: Jede Konfliktsituation ist individuell, auch wenn es sicherlich typische Aspekte gibt. In der Regel ist daher schon ein Gespräch mit einer neutralen dritten Partei hilfreich, da es in jedem Fall Distanz zur Situation und auch den eigenen Befindlichkeiten schafft und hilft, sich über dieselben klar zu werden, sie auszudrücken, einzuordnen und zu bewerten. Sehr oft hängen Konflikte mit dem Umgang mit Erwartungshaltungen zusammen. Nicht selten leidet man unter der eigenen Erwartung oder unter Erwartungen anderer. Insbesondere hier kann das Gespräch mit mir oder Nadja Walter zur Einordnung und gegebenenfalls zur Vermittlung dienen.

Nadja Walter: Ganz allgemein möchte ich, nach der ersten Kontaktaufnahme, bei einem ersten längeren Gesprächstermin – gleich ob digital oder in persona – eine möglichst vertrauensvolle Atmosphäre schaffen mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit und Anonymität unserer Arbeit. Ziel dieses (ersten) Gesprächs ist die Schilderung des Sachverhalts, der Genese und Informationen zu möglichen weiteren Beteiligten. Mit Fragen zu eventuellen bisherigen Versuchen zur Schlichtung des Konflikts versuche ich mir ein neutrales Bild der Situation zu verschaffen, um vielleicht auch die Perspektive der anderen Seite zu erkennen.
An diese „Bestanderhebung“, schließt sich dann die Beratung an. Und hier unterscheidet sich meine Vorgehensweise danach, welche Art von Konflikt vorliegt, also ob es sich um einen Konflikt im Zusammenhang mit der Betreuungsvereinbarung handelt oder ob der Konflikt vielleicht auf eine fehlende Kommunikation zurückzuführen ist oder ob die Person womöglich mehr Informationen benötigt.

Gibt es bei der Schlichtung eine Patentlösung?

Nadja Walter: Ich berate die Person insofern, als dass ich gemeinsam mit ihr Lösungsvorschläge erarbeite, um den Konflikt zunächst selbst zu lösen – „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das heißt wir überlegen Strategien oder Ansätze, die die Person nutzen kann. Dabei ist es wichtig, dass man ganz individuell vorgeht – „one size fits all“ ist insbesondere bei zwischenmenschlichen Konflikten wenig hilfreich. Das kann bedeuten, dass mehrere Gespräche nötig sind, schrittweise versucht werden muss, Alternativen auszuprobieren oder dass die Person selbst nicht weiterkommt. In dem Fall biete ich der Person an, dass ich mich mit ihrem Einverständnis mit der anderen Partei in Verbindung setze und deren Perspektive und Meinung zum vorliegenden Sachverhalt erfrage. Unter Umständen ist dann vielleicht ein gemeinsames Gespräch sinnvoll.
Das bedeutet aber auch, dass sich die Person über die möglichen Konsequenzen im Klaren sein muss. Grundsätzlich gilt, dass wir als Schlichterin beziehungsweise Schlichter alle Informationen vertraulich behandeln und jeden Schritt, der gegangen wird, mit der Person, die sich an uns wendet, besprechen und uns ihr Einverständnis abholen.

Wann ist aus Ihrer Sicht die Arbeit einer Schlichterin oder eines Schlichters erfolgreich?

Nadja Walter: Aus meiner Sicht war eine Schlichtung erfolgreich, wenn der Konflikt für beide Seiten gelöst wurde und dabei keiner einen Nachteil daraus zieht. Als erfolgreich würde ich eine Schlichtung aber auch dann erachten, wenn zwischen den beiden Parteien ein Kompromiss, im Sinne des gegenseitigen Entgegenkommens, zu verzeichnen ist. Als „Minimalziel“ der Schlichtung würde ich aber in jedem Fall immer die persönliche Weiterentwicklung der Person sehen, auch wenn es vielleicht „nur“ der Umgang und die Bewältigung eines Konfliktes ist.

Roderich Barth: Meine Arbeit als Schlichter ist erfolgreich, wenn sie zur guten Entwicklung der Persönlichkeit und zum Gelingen der Arbeit einer Forscherin oder eines Forschers beiträgt.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten muss aus Ihrer Sicht jemand mitbringen oder entwickeln, der Konflikte im Kontext der wissenschaftlichen Qualifizierung schlichten will?

Nadja Walter: Durch die Arbeit als angewandte Sportpsychologin, aber auch als Good Governance Beauftragte für den Landessportbund Sachsen würde ich sagen, dass Empathie und eine wertschätzende Kommunikation grundlegend für die Arbeit als Schlichterin sind. Ich denke die Selbst- und Sozialkompetenz spielt hier eine wesentliche Rolle.
Auf der fachlichen Seite denke ich, dass es vor allem das Wissen um gute wissenschaftliche Praxis und das Wissenschaftssystem an sich ist, das die Arbeit deutlich erleichtert. In dem Zusammenhang sehe ich aber auch das Wissen um die Regeln und Pflichten beider Seiten – also von (Post-)Doktorandinnen und -Doktoranden und Betreuenden – wie auch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Weiterbildung hierin, die bei der Begleitung sehr nützlich sein kann.

Roderich Barth: Aus meiner Sicht sollte eine Schlichterin oder ein Schlichter zuvörderst zuhören können, über Empathie verfügen und dazu beitragen können, die individuellen Anliegen zur Sprache zu bringen. Eigene Erfahrungen im Umgang mit Krisen im Kontext der wissenschaftlichen Qualifizierung können dabei hilfreich sein, sofern sie nicht schematisch angewandt werden.

Nadja Walter: Vielleicht können wir dieses Interview in zwei Jahren noch einmal machen. Ich bin gespannt, wie dann unsere Antworten aussehen.

 

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