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Die Corona-Pandemie hat auch das Lehren und Lernen an der Universität verändert. Neben der Diskussion um Online- und Präsenzlehre werden viele Innovationen die Lehre nach der Pandemie prägen. Zusammen mit Claudia Bade, Leiterin des Hochschuldidaktischen Zentrums Sachsen (HDS), und Doreen Klein, hochschuldidaktische Mitarbeiterin im E-Learning und Koordinatorin des Tages der Lehre an der Universität, wagen wir den Blick in die Glaskugel: Wie kann die Lehre in Zukunft aussehen? Was hat Corona verändert, was wird bleiben? Um diese Fragen dreht sich auch der 8. Tag der Lehre am 15. Juni 2022, zu dem jetzt der Call for Participation startet.

In der Corona-Krise wird in vielen Bereichen davon gesprochen, die Pandemie würde wie ein Brennglas gewisse Missstände aufzeigen oder wie ein Schlaglicht besondere Aufmerksamkeit auf Themen lenken. Was hat Corona denn mit der Hochschullehre gemacht?

Claudia Bade: Es hat aus meiner Sicht gezeigt, wie großartig unsere Lehrenden sind. Viele haben sich in der Pandemie sozusagen ein Bein ausgerissen, um sehr schnell gute Lehre in anderen Formaten zu ermöglichen. Zugleich mussten sie sich auf die immer verändernde Situation neu einstellen. Vor diesen Lehrenden ziehe ich meinen Hut. Es war toll, das mitzuerleben und als HDS es auch mit unterstützen zu dürfen. Dadurch, dass wir aus den Hörsälen und Seminarräumen rausgegangen sind, haben sich neue Türen geöffnet. Wir sind jetzt auf ganz neuen Wegen miteinander vernetzt und ins Gespräch gekommen, was gute Lehre ausmacht. Und ich hoffe, dass diese Türen offen bleiben – auch nach der Pandemie. Corona hat uns als Brennglas sozusagen ermöglicht zu sehen, wie kreativ Lehre ist, wie kreativ Lehrende sind. Dadurch hat die Lehre eine andere Aufmerksamkeit bekommen: Es ist eben nicht nur die 90-minütige Lehrveranstaltung, sondern all das, was davor und danach passiert.

Doreen Klein: Corona hat uns alle gezwungen, digitale Medien in der Lehre einzusetzen und es war schnell mehr als das sogenannte Emergency Remote Teaching, sondern Veränderungsprozesse kamen in Gang und es folgte eine intensive Auseinandersetzung damit, was gutes Lernen braucht. Tradierte Lehrkonzepte wurden digital angereichert und erweitert. Man kann sagen, dass Corona einen Gemeinschaftsdiskurs zu innovativen Lehrkonzepten angestoßen und der Hochschullehre einen Digitalisierungsschub verliehen hat. Die Lehrenden haben mit einer immensen Kraftanstrengung, ihrem Durchhaltevermögen und ihrem persönlichen Engagement neue, digitale Wege in Studium und Lehre erprobt und beschritten. Wir konnten im Team E-Learning immer wieder feststellen, wie sehr sich die Lehrenden auch in zusätzlichen Formaten wie dem Netzwerk Lehre.Digital, der WERKSTATT DigitaLE oder am Tag der Lehre bereitwillig unterstützen und sich über ihre neu gewonnen Erfahrungen austauschen.

 

  • "Die Pandemie hat uns gezeigt, dass ein Studium auch mit vielen sozialen Aspekten verknüpft ist.“
    Claudia Bade

 

Für wie sinnvoll halten Sie die Diskussion über Präsenz-, Hybrid- vs. Online-Lehre? Ist das nicht nur der Modus und es sollte vielmehr um Inhalte und gute Lehre an sich gehen?

Claudia Bade: Natürlich müssen wir uns über den Modus im Moment unterhalten, da kommen wir nicht drum herum. Aber es ist eben auch nur der Modus. Die eigentliche Frage ist doch: Wie können Lehrende ihre wissenschaftlichen Themen zu den Studierenden bringen? Im Moment sind wir noch in einer Situation, in der wir aufgrund der Pandemie manchmal nicht frei entscheiden können, ob es Präsenz- oder digitale Veranstaltungen gibt. Aber ich finde, das muss in dem Gesamtspiel gesehen werden: Welche Inhalte haben wir? Was können Lehrende und Studierende leisten? Und was benötigen wir neben den Inhalten? Die Pandemie hat uns gezeigt, dass ein Studium auch mit vielen sozialen Aspekten verknüpft ist.

Frau Bade, Sie hatten in einem Vortrag an der Medizinischen Fakultät zum Dies academicus gesagt: „Das Studium wird in Zukunft anders beginnen.“ Was meinen Sie damit?

Claudia Bade: Wir haben jetzt mehrere Generationen von Schülerinnen und Schülern, die unter ganz anderen Bedingungen zur Schule gegangen sind und damit auch mit anderen Wünschen und Erfahrungen in die Uni kommen. Hier müssen wir genau hinsehen: Was benötigt diese Generation? Das knüpft auch an meine letzte Antwort an, wie wichtig auch das Soziale im Studium ist. Wir haben es zu Beginn des Wintersemesters gesehen, mit wie viel Freude und Enthusiasmus die Studierenden hier wieder vor Ort auf dem Campus waren. Wir müssen aus meiner Sicht an neue Formate und Räume denken, in denen Studierende zusammenkommen können. Natürlich wird der Hörsaal bleiben, das Labor wird bleiben, die Seminare werden bleiben, aber es werden neue Orte hinzukommen. Und diese Orte jetzt mitzugestalten auf der Erfahrung der vergangenen Monate, das ist eine Riesenchance.

Welche Räume oder Orte könnten das sein?

Claudia Bade: Das ist jetzt noch viel Kaffeesatzleserei. Vor der Pandemie hatte ich die Chance, unsere Partneruni, die University of Hull zu besuchen. Die hatten dort gerade neue Räume gestaltet. Da gab es zum Beispiel viele halb offene Besprechungsräume für die Fakultäten aber auch für die Verwaltung. Dort wurden dann Arbeitstreffen abgehalten, die sonst hinter verschlossenen Türen stattfinden. Diese Räume rückten sie aber in die Öffentlichkeit der Hochschule. In einer anderen Uni habe ich Labore gesehen, in denen die Studierenden einfach selber Dinge ausprobieren konnten. Und alle anderen, die vorbeigegangen sind, waren plötzlich Teil davon, fand ich ziemlich beeindruckend.

Wohin wird sich die Hochschullehre – jetzt vielleicht auch geprägt durch die Pandemie – entwickeln?

Doreen Klein: Hochschuldidaktik lässt sich nicht mehr ohne digitale Medien denken. Deshalb ist es uns wichtig, dass beim Tag der Lehre Veränderungsprozesse, die durch Corona angestoßen wurden, systematisiert werden, um sie für einen - vielleicht - neuen Status Quo aufzuschließen. Ich denke dabei beispielsweise an die Gestaltung von Anfangssituationen, in denen neben dem thematischen Einstieg nun auch die Technik erprobt wird oder dass Themen wie psychosoziale Gesundheit Teil des Lehrkonzeptes geworden sind. Zudem wurden andere Formen der Beratung und Begleitung von Studierenden entwickelt. Hybride Formate könnten ein Weg sein, Online-Teilnahme auch bei Nicht-Präsenz für eine inklusivere Lehre zu ermöglichen, insbesondere bei Vorlesungen mit vielen Studierenden. Dabei muss die Technik einfach und zuverlässig zu handhaben sein. In den letzten Monaten wurden etliche Räume mit sogenannter hybrider Technik ausgestattet. Damit sich dieses Format etablieren kann, bedarf es Freiraum zum experimentieren, wobei wir die Lehrenden und Studierenden als Team E-Learning unterstützen und animieren möchten. Abhängig vom Lehr-Lern-Ziel können weiterhin synchrone Phasen, online oder in Präsenz, mit asynchronen Selbstlernphasen kombiniert werden.

 

  • "Der Trend geht hier weg von Einzellösungen in Richtung „Learning Communities“
    Doreen Klein

 

Corona hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das soziale Miteinander ist – also Interaktion und Kooperation. Nun gilt es Wege zu finden, die Austausch, aktives Lernen und die Reflexion über das eigene Lernen auch in hybriden oder reinen Online-Szenarien gut ermöglichen. Das gilt nicht nur für Studierende in einer Lehrveranstaltung, sondern auch für den Austausch der Lehrenden. Der Trend geht hier weg von Einzellösungen in Richtung „Learning Communities“, also Verbünde und Netzwerke von Lehrenden mit einem gemeinsamen Interesse an der Weiterentwicklung und Reflexion ihrer Lehre. Als fächerübgreifende Institution hat sich hier bereits das Netzwerk Lehre.Digital etabliert. Im Projekt D2C2 ist die Initiierung von fachspezifischen Professional-Learning-Communities ein Ziel. Die Universität Leipzig ist eine von elf Verbundpartnern in diesem Projekt und geht damit den nächsten Schritt für eine gute, digital gestützte Lehre.

 

  • "Wir müssen uns sicher davon verabschieden, dass es nach Corona wieder so wird wie vor 2020.“
    Claudia Bade

 

Claudia Bade: In einigen Bereichen, gerade in den Ingenieurwissenschaften, wird aktuell viel über Remote Labore gesprochen. Ich stelle fest, dass das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung an Hochschulen ein Trendthema ist. Wir sehen Trendthemen aber auch im Kontext der regionalen Zusammenarbeit. Hier könnte es zum Beispiel gemeinsame Grundlagenkurse für Studierende verschiedener Hochschulen geben. Man geht auch davon aus, dass es einen Trend hin zu so Global Giants gibt. Das sind sozusagen Giganten, die die akademische Landschaft bestimmen werden. Ich bin mal gespannt, was da kommt. In Bezug auf die Pandemie müssen wir uns sicher davon verabschieden, dass es nach Corona wieder so wird wie vor 2020. Das war einfach so ein starker Einschnitt, das hat die Hochschullehre nachhaltig verändert. Was wir daraus machen, liegt jetzt in unserer Hand.

Um noch einmal in die Perspektive der Lehrenden zu wechseln: Was kann ich denn als Lehrende jetzt tun, um diesen Wandel mitzugestalten?

Doreen Klein: Wie bereits gesagt , ist es notwendig, sich zu vernetzen und so den Anforderungen an Digitalität, auch in ihrer Dimension der Gemeinschaftlichkeit gerecht zu werden. Diese Möglichkeit möchten wir in diesem Jahr auch wieder auf dem Tag der Lehre am 15. Juni 2022 allen Interessierten bieten: Lehrenden, Studierenden und Mitarbeitenden in den Unterstützungsbereichen. Innovative Ideen und das Engagement der Lehrenden und Studierenden verdient außerdem Sichtbarkeit, was wir unter anderem in der Kollektion: LEHRPRAXIS befördern möchten. Und für innovative Ideen, deren Umsetzung gemeinsam mit einer SHK/WHK leichter fallen würde, gibt es die Möglichkeit der digital fellowships. Hier endet die Bewerbungsfrist am 31. März.

Claudia Bade: Ich schließe hier den Bogen zum Anfang des Interviews: Viele Lehrende engagieren sich für die Lehre, sie sind gut vernetzt und geben dem Thema sehr viel Wertschätzung. Wir bieten als HDS natürlich auch die Möglichkeit, mit Weiterbildung, Beratung und Coaching uns unterstützend einzubringen. Ich glaube, es ist auch immer eine gute Idee, sich an Ausschreibung wie denen der Stiftung Innovationen in der Hochschullehre beteiligen, um für Veränderungen in Lehrveranstaltungen oder auch strategische Lehrinnovationen Unterstützung zu bekommen.

 

  • "Der 8. Tag der Lehre greift die aktuelle Situation an unserer Universität mit dem Ziel auf, sich einem gemeinsamen Verständnis von guter Lehre im digitalen Zeitalter anzunähern."
    Doreen Klein

 

Im Juni steht das Thema Lehre einen ganzen Tag lang wieder im Fokus der Universität. Was haben Sie für den Tag der Lehre am 15. Juni geplant?

Doreen Klein: Unter dem Motto „Präsenzuniversität der Zukunft – Gute Lehre im digitalen Zeitalter“ wollen wir einen Blick auf die Universität der Zukunft wagen. Damit greift der 8. Tag der Lehre die aktuelle Situation an unserer Universität mit dem Ziel auf, sich einem gemeinsamen Verständnis von guter Lehre im digitalen Zeitalter anzunähern. Lehrende und Studierende teilen Good-Practice-Erfahrungen in Impulsbeiträgen am Vormittag und arbeiten gemeinsam an Fragen zum zukünftigen Lernen und Lehren im Diskursformat am Nachmittag. Die Nachmittagsveranstaltungen planen wir derzeit in Präsenz und hybrid und hoffen, dass uns das Pandemiegeschehen keinen Strich durch die Rechnung machen wird. Es wird wieder eine spannende Keynote geben und auch der Student_innenRat hat seine Beteiligung zugesagt.

Die Universität Leipzig bekommt im April ein neues Rektorat. Welche wichtigen Themen würden Sie dem/der neuen Prorektor:in für Bildung gleich zu Beginn mit auf den Weg geben?

Claudia Bade: Ich glaube, Kommunikation und Transparenz sind zwei ganz wichtige Punkte – sowohl mit den unterschiedlichen Statusgruppen als auch mit den Studierendengruppen. Das ist bei 14 Fakultäten natürlich eine große Herausforderung, allen gerecht zu werden. Zugleich ist es aus meiner Sicht wichtig, sich untereinander gut auszutauschen und zu vernetzen, um diese gute Kultur des sachsenweiten Austausches hat sich das aktuelle Rektorat sehr bemüht. Sachsens Stärke und Besonderheit für die Lehre ist die landesweite Vernetzung der Hochschulen und diese Vernetzung aufrechtzuhalten, voranzubringen möglichst ohne Konkurrenzdruck, wäre mir ein Anliegen.

Doreen Klein: Ich würde mir wünschen, dass gute Lehre noch mehr Wertschätzung erfährt und salopp gesagt, nicht nur die Drittmittelquote zählt. Es braucht noch Zeit und gemeinsame Anstrengungen, bis neue erprobte Formate wie die hybride Lehre ganz reibungslos ablaufen werden. Besonders wichtig scheint mir Kommunikation, auch über Herausforderungen und Räume, in welchen neue Dinge ausprobiert werden können. Auch eine offene Fehlerkultur kann helfen, die Möglichkeiten und Herausforderungen des digitalen Zeitalters leichter in den Hochschulalltag zu integrieren.

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