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Die Thematik der systematischen sexuellen Gewalt in Kriegen hat Dr. Steffi Richter, Japanologie-Professorin an der Universität Leipzig, im Sommersemester zu einem Schwerpunkt ihrer Lehre gemacht: in Form von Seminaren, Performance-Aktionen und der öffentlichen interdisziplinären Vortragsreihe "Postkoloniale Erinnerungsarbeit und transnationaler Feminismus". In dieser werden unter anderem auch völkerrechtliche Aspekte aufgegriffen. Überschrieben ist dieser Schwerpunkt mit "Trostfrauen" – einem Begriff aus der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1931-1945), der nichts anderes beschreibt als Zwangsprostitution.

Das Mädchen schaut nach vorn, durch den Betrachter hindurch. Sie sitzt auf einem Stuhl. Seine geballten Fäuste sind ruhig in den Schoß gelegt, ein Vogel sitzt auf seiner linken Schulter. Der Stuhl neben ihr ist leer. Das Mädchen ist ein Denkmal, das Ruhe ausstrahlt. Und dennoch löst es viele Gefühle, Diskussionen und auch Ablehnung aus, immer wieder. „Die Mädchenstatue des Friedens“, die in Berlin-Mitte steht und vom koreanischen Künstlerpaar Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung geschaffen wurde, erinnert an ein wundes Kapitel in der Geschichte: an hunderttausende Opfer von systematischer sexueller Gewalt in Kriegskonflikten. Auch wenn das Denkmal ursprünglich den „Trostfrauen im Gefolge der Japanischen Armee“ während des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1931-1945) gewidmet ist, reicht seine Bedeutung weit darüber hinaus, bis in die Gegenwart und nach Europa.

Interdisziplinärer Schwerpunkt

Die Thematik der systematischen sexuellen Gewalt in Kriegen hat Dr. Steffi Richter, Japanologie-Professorin an der Universität Leipzig, im Sommersemester zu einem Schwerpunkt ihrer Lehre gemacht: mit Seminaren, Performance-Aktionen und einer öffentlichen interdisziplinären Vortragsreihe.

„Das Thema der Militär-‚Trostrauen‘ ist seit Beginn der 1990er Jahren präsent, als die erste Betroffene ihr Schweigen brach und im hohen Alter mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit ging“, erläutert Richter, die seit 1996 an der Uni Leipzig lehrt und forscht. „Allmählich fand auch das Thema Militär-„Trostfrauen“ Eingang in japanische Geschichtsschulbücher, kamen also mit den zu sexuellen Diensten in der einstigen kaiserlichen Armee Japans gezwungenen Mädchen und Frauen die Opfer in den Blick. Ab Mitte der 1990er Jahre aber gab es dann heftigen Gegenwind; es gründeten sich Vereine, die diese Geschichte wieder aus den Schulbüchern entfernen wollten oder gar leugneten“, so die Professorin. Bis heute sei die Thematik eine höchst sensible, die von bestimmten Kreisen in Japan als bi-nationale und ein für alle Mal geklärte Angelegenheit betrachtet werde. Damit verbunden gebe es Aufforderungen, Denkmäler wie die Friedensstatue zu entfernen, auch im Ausland.

Globales, zeitloses Problem         

„Doch das Problem ist nicht auf Ostasien und die Vergangenheit zu begrenzen, und es geht uns nicht um nationale Schuldzuweisung“, betont die Japanologin. „Vielmehr handelt es sich um eine in Kriegen und gewaltsam ausgetragenen Konflikten immer wieder und global anzutreffende Art von Gewalt, auf die wir aufmerksam machen, deren Mechanismen wir verstehen möchten. Mittlerweile ist sie laut UN-Charta justiziabel und wird verfolgt: als Kriegsverbrechen – und das verdankt die Welt nicht zuletzt auch dem Mut der Betroffenen“, so Richter.

Ihre Kollegin Dorothea Mladenova forscht, lehrt und schreibt ebenfalls zu den Militär-„Trostfrauen“. „In seinem Vortrag vergangene Woche erläuterte der Historiker Dr. Martin Clemens Winter etwa, dass es auch in Leip sexuelle Zwangsarbeit gab. Natürlich hat das System nicht genauso funktioniert wie in Japan, aber man sieht parallele Vorgehensweisen“, so Mladenova. „Es war staatlicherseits organisiert und legitimiert.“ Die Historikerin Regina Mühlhäuser referierte über Wehrmachtsbordelle. Am 22. Juni und am 5. Juli wird es um die juristische bzw. völkerrechtliche Perspektiven gehen.   

Perspektive verschiedener Fachrichtungen wichtig

„Wie brauchen die Perspektiven verschiedener Fachrichtungen, um Studierende mit der Komplexität des Diskurses vertraut zu machen“, so Prof. Richter. Auch sei es wichtig zu verstehen, wie das Thema in der Gesellschaft Teil der Erinnerungskultur wird, wie Staat, zivilgesellschaftliche Akteur:innen, Wissenschaft und Rechtsprechung interagieren, zum Beispiel wenn es um die Leugnung historischer Fakten oder Geschichtsrevisionismus gehe.

In enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen Juniorprofessorin Dr. Veronika Darian und Dr. Janine Schulze-Fellmann vom Institut Theaterwissenschaft setzen sich Studierende außerdem mit dem Thema im Rahmen eines DenkLabors auseinander, in dem sie Performance-Projekte erarbeiten. 

Begeben sich Prof. Dr. Steffi Richter und Dorothea Mladenova zu den Vorträgen in das Hörsaalgebäude, begleitet sie jedes Mal ein Kunststoff-Replikat des Friedens-Mädchens. Die Figur sitzt inmitten von Studierenden, gewissermaßen als Repräsentantin der Betroffenen. Sie ist eine Leihgabe des Künstlerpaars Kim und der Kuratoren des Münchner Kunstvereins „Art5 e.V.“ an die Japanologie. Sie hat eine ebenfalls weitgereiste „Große Schwester“, das Friedensmädchen in Gestalt einer Bronzestatue, die im vergangenen Sommer im Völkerkundemuseum in Dresden ausgestellt worden war und für deren zeitweise Aufstellung im Areal der Universität Leipzig die genannten Wissenschaftlerinnen sich zwischenzeitlich engagiert haben. Stattdessen aber wird sie demnächst auf der Documenta in Kassel und danach auf einer Ausstellung in der Kunsthalle Wolfsburg zu sehen sein.

„Die Präsenz des Mädchens macht wirklich einen Unterschied“, sagt Mladenova aus eigener Erfahrung. „Die Studierenden, die die Performance entwickelt haben, überlegten zunächst sehr theoretisch, wie sie das Ganze denn aufziehen sollten. Als wir dann die Statue mitbrachten, haben sie alles komplett umgeworfen. ‚Wir merken jetzt: Es macht etwas ganz anderes mit uns‘.“

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