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Vom 15. bis 19. September 2021 fand an der Universität Leipzig der 14. Deutsche Lusitanistentag statt. Die Fachtagung zum Portugiesischen und zum Galicischen, zu deren Literaturen, Kulturen, Sprache, Übersetzung und Vermittlung setzte sich für die Tagung das Thema „Zeitlichkeit(en) – Reminiszenzen, Wahrnehmungen und Projektionen“. Mit 22 Sektionen aus den Bereichen der Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft, der Medien- und der Geschichtswissenschaft, der Didaktik und der Translatologie wurde ein breites fachliches Spektrum abgedeckt und der bislang größte Lusitanistentag ausgerichtet.

Die Tagung begann mit einem Empfang des portugiesischen Botschafters S. E. Francisco Ribeiro de Menezes im Rektorat durch die Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking, den Prorektor für Bildung und Internationales Herrn Prof. Dr. Thomas Hofsäss sowie den Dekan der Philologischen Fakultät Prof. Dr. Beat Siebenhaar, Prof. Dr. Tinka Reichmann vom Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) und Prof. Dr. Benjamin Meisnitzer vom Institut für Romanistik. Der Botschafter, der in Begleitung der Kulturdezernentin der portugiesischen Botschaft in Berlin Dr. Patrícia Salvação Barreto und dem Koordinator des portugiesischen Schulwesens in Deutschland Herrn Dr. Rui de Azevedo kam, trug sich im Rahmen des Empfangs in das Goldene Buch der Universität Leipzig ein. Die diplomatischen Vertreter:innen Portugals und der Universität Leipzig eröffneten dann gemeinsam den 14. Deutschen Lusitanistentag.

Organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Benjamin Meisnitzer, Prof. Dr. Jobst Welge, Prof. Dr. Tinka Reichmann und Prof. Dr. Carsten Sinner.

Leipziger Universitätsmagazin: Aus wie vielen Ländern nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Veranstaltung teil?

Prof. Dr. Benjamin Meisnitzer: Es nahmen 105 Gäste vor Ort und 230 online teil. Damit war der Leipziger Lusitanistentag die erste große Tagung seit Beginn der Pandemie an der Alma Mater. Die angereisten Gäste kamen aus acht unterschiedlichen Ländern, darunter Osttimor, Brasilien, Frankreich, Portugal, Österreich und die Schweiz. Online waren Teilnehmende aus weiteren 10 Ländern zugeschaltet – darunter die Mehrheit der brasilianischen Teilnehmerinnen und Gäste aus Kanada, São Tomé e Príncipe, Angola, Mosambik u. a.

Wo lagen für Sie die Schwerpunkte der Veranstaltung und welche Ziele haben Sie erreicht?

Das Ziel der Tagung war vor allem die Vernetzung von etablierten und jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Dies ist absolut gelungen, wie schon alleine die heterogene Zusammensetzung der Sektionsleiterinnen und Sektionsleiter zeigt. Auch der Zusammenhalt der Lusitanistik im deutschsprachigen Raum konnte gestärkt und Netzwerkarbeit betrieben werden. Die Ergebnisse der Tagung werden voraussichtlich in 22 Sammelbänden bzw. Ausgaben von Fachzeitschriften erscheinen.

Für die Universität Leipzig war ein weiteres wichtiges Anliegen der Tagung die Bewerbung der Lusitanistik am eigenen Standort. Auch dies gelang hervorragend, konnte man doch neue Kurse, wie Wirtschaftsportugiesisch am Institut für Romanistik oder den neuen Studienschwerpunkt Portugiesisch in der Übersetzung am IALT einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Letzteres Angebot startet im Wintersemester 2021/2022, hat aber schon jetzt zahlreiche Nachfragen auch aus dem Ausland im Laufe des Sommersemesters 2021 erhalten.

Welchen Stellenwert nimmt die portugiesische Sprache in der Wissenschaft und in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland ein?

Die vorbildliche Kooperation zwischen Literatur- und Sprachwissenschaft sowie dem IALT stärken das Portugiesische – ein trotz der enormen weltweiten Bedeutung der Sprache eher kleines Fach – signifikant und darf durchaus als Vorbild für das Überleben des Faches an deutschen Universitäten gelten. Neben der Universität Leipzig gibt es Volllusitanistiken nur noch in Heidelberg, Hamburg, Berlin und Köln. In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Potenzial der Lusitanistik besonders mit Blick auf Afrika (Angola & Mosambik) und Brasilien unterschätzt. Es keimt eher zyklisch bzw. sporadisch – zum Beispiel in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Bildungsoffensive unter Dilma Rousseff in Brasilien (Amtszeit 2011 – 2016) – auf.

In den Medien stieß der Lusitanistentag immerhin auf ausreichend Interesse, um im MDR-Kulturprogramm Platz zu finden. Dies ist vor allem renommierten Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie Luís Vaz de Camões, Fernando Pessoa, José Saramago, Guimarães Rosa, Sophie de Mello Breyner Andresen oder Clarice Lispector zu verdanken, die einem interessierten Publikum durchaus bekannt sind. Der portugiesischsprachige Autor, der in der Bevölkerung den größten Bekanntheitsgrad genießt, ist zweifelsohne der Brasilianer Paulo Coelho. Der wohl bekannteste Portugiese, der gleichsam einen Anstieg des Interesses für das Land und vor allem für seine Heimatinsel Madeira als touristisches Ziel bewirkte – ist das Fußballsupertalent Cristiano Ronaldo.

Worauf legen Sie in den kommenden zwei Jahren bis zum 15. Lusitanistentag in der Arbeit wert?

Bis zum 15. Lusitanistentag im Jahr 2023, dessen Austragungsort noch nicht festgelegt ist, ist es Ziel der Romanistik, ein Drittmittelprojekt im Bereich der Afrolusitanistik an der Schnittstelle von Literatur-, Kultur, Medien- und Sprachwissenschaft einzuwerben und andererseits den Master mit Schwerpunkt Portugiesisch am IALT zu etablieren und auszubauen. Des Weiteren soll, wenn möglich, das fächerübergreifende Angebot im Bereich Wirtschaftsportugiesisch um einen Fortgeschrittenen-Kurs ausgebaut werden.

Aus wirtschaftlicher und karriereplanerischer Sicht werden gerade im Bereich der Übersetzung und des Dolmetschens händeringend Fachkräfte gesucht, denn selbst am Europäischen Parlament steht ein Generationenwechsel in absehbarer Zeit bevor und Nachwuchs ist nicht ausreichend in Sicht. Ein Problem des Portugiesischen ist seine geringe Präsenz im Schulunterricht, die – trotz hoher Migrantinnen- und Migrantenzahlen – nur in wenigen Bundesländern sichergestellt ist. So gab der portugiesische Botschafter in seinem Grußwort zu Recht zu bedenken, dass wenn man keine Lehrerinnen und Lehrer ausbildet, es – trotz Nachfrage – auch keinen Portugiesischunterricht an Schulen geben kann. Gleichzeitig jedoch werden Portugiesischlehrerinnen und -lehrer nur dann ausgebildet, wenn es an den Schulen der jeweiligen Bundesländer ein bereits bestehendes Portugiesischangebot gibt.

Hier bestehe ein Denkfehler, so der Portugiesische Botschafter in seiner Eröffnungsrede. Man müsse Portugiesisch an Schulen anbieten, um so das Interesse für die lusophonen Länder, Literaturen und Kulturen zu stärken, denn die Märkte im lusophonen Afrika und auch in Brasilien bieten durchaus Potenzial.

Um diese Lücke zu schließen, entwickeln die Dozierenden der Universität Leipzig, Mainz und Essen-Duisburg derzeit einiges an Grundlagenmaterial, welches an ausgewählten Standorten mit einer starken Lusitanistik dazu dienen wird, Studierenden aus dem Lehramt den Erwerb von Zertifikaten zu ermöglichen, die sie befähigen, Portugiesisch an der Schule zu unterrichten. Das entsprechende Programm spiegelt ein Schwerpunktinteresse des Instituts für Förderung und Kooperation, das Instituto Camões, wider, das ebenfalls mit großer Priorität auch die Ausbildung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie Übersetzerinnen und Übersetzern an der Universität Leipzig fördert.

 

  • Als Lusitanistik wird die Wissenschaft bezeichnet, die sich mit portugiesischer Literatur und Sprache beschäftigt. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen: "Lusitania" war die lateinische Bezeichnung für Portugal.

 

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