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Beleidigende Kommentare, aufstachelnde Videos, Drohungen per Direktnachricht – Hate Speech im Internet steht seit einiger Zeit in den Medien, in der Politik und nicht zuletzt in der Wissenschaft als drängendes Problem unserer Zeit auf der Agenda. Mit „Digitalem Hass“, seinen Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen beschäftigt sich auch eine interdisziplinäre Online-Tagung am 8. Juli. Wir stellen drei Expertinnen und Experten der Universität Leipzig vor, die sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. Dabei wird deutlich: Einfache Antworten gibt es (bislang) nicht.

Prof. Dr. Elisa Hoven

Die Strafrechtlerin Prof. Dr. Elisa Hoven forscht in einem dreijährigen vom Bundesjustizministerium geförderten Projekt zum strafrechtlichen Umgang mit digitalem Hass. Die aktuelle Tagung bildet den Abschluss des ersten Projektjahres, aus diesem Anlass wird auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht mit einer Keynote vertreten sein.

Digitaler Hass schränkt die Meinungsfreiheit ein, lautet eines der ersten Ergebnisse von Hovens Forschungsprojekt: „Wir haben herausgefunden, dass Betroffene, aber auch unbeteiligte Beobachterinnen und Beobachter aus Sorge vor digitalem Hass vorsichtiger posten oder ganz darauf verzichten, sich am öffentlichen Meinungsaustausch zu beteiligten,“ erklärt sie mit Blick auf eine 2020 erfolgte Befragung. Strengere Gesetze gegen Hasskriminalität im Internet begrüßt sie unter anderem auch deswegen. „Hate Speech im Internet ist jedoch leider nicht allein durch das Strafrecht beizukommen. Um diesem Hass entgegenzutreten, braucht es auch einen gesellschaftlichen Wandel“, so Elisa Hoven.

Prof. Dr. Roger Berger

Wieso Menschen gesellschaftliche Normen verletzen, beschäftigt den Soziologen Prof. Dr. Roger Berger. Er hat den Themenkomplex in dem gerade zu Ende gehenden vierjährigen EU-Horizon 2020-Projekt „Odycceus - Opinion Dynamics and Cultural Conflict in European Spaces“ erforscht. Gemeinsam mit PD Dr. Ivar Krumpal hat er 2020 außerdem den Sammelband „Devianz und Subkulturen“ über Normverletzungen herausgegeben.

Was hinter Hass im Internet steckt, sei aus soziologischer Sicht noch nicht abschließend geklärt, sagt er: „Vieles ist unklar – sowohl die Mechanismen, die das Online-Geschehen steuern, als insbesondere auch der Zusammenhang mit den Handlungen in der Offline-Realität.“ Digitaler Hass sei ein komplexes soziales Phänomen: „Wir wissen nur, dass es nicht so einfach und direkt geschieht, wie man denken könnte und wie es oft dargestellt wird.“

Jun.-Prof. Dr. Mario Haim

„Welcher Hass?“ ist die Frage, die Jun.-Prof. Dr. Mario Haim stellt. Der Spezialist für Datenjournalismus und die Nachrichtennutzung in und über soziale Medien hat politisch ausgerichtete Kommentare bei Online-Medien, Twitter und YouTube analysiert und festgestellt: „Rund ein Fünftel der gesammelten und bereits moderierten Kommentare enthält Hinweise auf Hass.“

Jedoch ist Hate Speech offenbar nicht gleich Hate Speech. „Dieser Hass variiert stark: So tauchen vulgäre Begriffe, Beleidigungen oder Verleumdung nur in sehr geringen Maßen auf; deutlich häufiger sind indes verbale Abwertungen, etwa von Ideen oder Verhalten. Sie lassen sich dabei regelmäßig in Häufungen feststellen, gerichtet etwa gegen Individuen, Gruppierungen oder spezifische Debatten.“

Digitaler Hass ist ein Phänomen, das sich schwer greifen lässt, so scheint es. Möglicherweise ein Grund, wieso sich die Gesellschaft schwer damit tut, adäquat auf Hate Speech im Internet zu reagieren? Die Tagung „Das Phänomen ‚Digitaler Hass‘“ soll etwas Licht ins Dunkel bringen.

 

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