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Mit dem Programm „Historische Stätten der Chemie“ würdigt die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) seit 1999 Leistungen von geschichtlichem Rang, indem sie mit einer Gedenktafel Wirkungsstätten bekannter Wissenschaftler:innen als Orte der Erinnerung auszeichnet. Im Rahmen des Jubiläums zum 600-jährigen Bestehen der 1409 gegründeten Universität Leipzig wurde am 15. Mai 2009 am ehemaligen Laboratorium für Angewandte Chemie, der ehemaligen Wirkungsstätte von Wilhelm Ostwald und Ernst Beckmann, an der Ecke Stephanstraße/Brüderstraße eine Gedenktafel angebracht.

Die Chemie an der Universität Leipzig entwickelte sich aus der Medizin heraus. 1710 erhielt Johann Christoph Scheider (1681-1713) die erste „Professor für Chymie“ an der Universität Leipzig, seine Bemühungen um die Gründung eines chemischen Laboratoriums blieben indes erfolglos. Erst 1805 kam es unter Christian Gotthold Eschenbach (1753-1831) zur Gründung eines chemischen Laboratoriums in der Pleißenburg, dem Vorgängerbau des heutigen Neuen Rathauses.

10 Jahre lang Arbeitsort für Wilhelm Ostwald

Der Gebäudekomplex in der Stephanstraße/Ecke Brüderstraße wurde 1879 nach Plänen von Baurat Gustav Müller als Landwirtschaftliches Institut errichtet. Mit seiner Berufung 1887 auf den Lehrstuhl für Physikalische Chemie zog Wilhelm Ostwald in das Gebäude ein und war bis zur Einweihung des neuen Physikalisch-Chemischen Instituts in der Linnéstraße im Jahr 1897 hier tätig. 1909 erhielt Ostwald den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten über die Katalyse sowie seine Untersuchungen über Gleichgewichtsverhältnisse und Reaktionsgeschwindigkeiten.

Hörsaal trägt Beckmanns Namen

1897 kehrte der bereits früher an der Universität Leipzig tätige Ernst Otto Beckmann (1853-1923) aus Erlangen an die Universität Leipzig zurück und bezog mit seinen Mitarbeitern und dem „Laboratorium für Angewandte Chemie“ die Räume im Erdgeschoss und im Souterrain der Brüderstraße 34. Nach dem Auszug des Landwirtschaftlichen Instituts 1903 verfügte er über das gesamte Gebäude. Zunächst widmete er sich schwerpunktmäßig dem Ausbau des Laboratoriums für Angewandte Chemie, der bei laufendem Lehr- und Forschungsbetrieb bis 1905 andauerte und im Ergebnis zur Schaffung bester Bedingungen für die experimentell fundierte Lehre und Forschung bei einer gewachsenen Zahl von Studenten führte. 1902 wurde der Große Hörsaal eingeweiht, der nach seiner Rekonstruktion in einer akademischen Festveranstaltung anlässlich seines 100-jährigen Bestehens 2002 den Namen Beckmann-Hörsaal erhielt. In den Laboratorien wurden die bahnbrechenden Arbeiten von Beckmann in der physikalischen und synthetischen organischen Chemie durchgeführt, sein Name ist mit der Beckmann-Umlagerung, dem Beckmann-Thermometer und den Beckmannschen Gefrier- und Siedeapparaten bis heute in der chemischen Literatur präsent. 1912 wechselte Beckmann als erster Direktor an das neu gegründet Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem.

Die achte von 20 „Historischen Stätten der Chemie“

Das Gebäude Brüderstraße 34 ist das einzige Gebäude der Chemie in Leipzig, das den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstand. Die Gedenktafel an der achten von mittlerweile 20 „Historischen Stätten der Chemie“ erinnert auch an Arbeiten weiterer bedeutender Chemiker wie Svante Arrhenius, Walther Nernst, Berthold Rassow, Karl Friedrich Bonhoeffer und Leopold Wolf. Der schwedische Physiker, Chemiker und Nobelpreisträger Svante Arrhenius, der in Leipzig die später nach ihm benannte Arrhenius-Gleichung aufstellte, unternahm 1896 als Erster den Versuch, die globale Erderwärmung aufgrund steigender Kohlendioxid-Konzentrationen der Atmosphäre quantitativ zu berechnen.

Das traditionsreiche naturwissenschaftshistorische Gebäude wird heute vor allem vom Institut für Pharmazie der Medizinischen Fakultät und dem Institut für Biochemie der Fakultät für Lebenswissenschaften genutzt.

 

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