Pressemitteilung 2020/239 vom

Erkrankungen des Nervensystems beeinträchtigen die Fähigkeit zur Bewegung, führen zu Lähmungen und verlaufen in schweren Fällen tödlich. Dr. Ruth Stassart von der Universitätsmedizin Leipzig untersucht die komplexen Mechanismen, die neuromuskulären Erkrankungen wie zum Beispiel peripheren Neuropathien zu Grunde liegen, denn sie betreffen mit einer Häufigkeit von 1:1500 viele Menschen, sind bisher aber kaum behandelbar. Der europäische Forschungsrat bestätigt die wissenschaftliche Relevanz ihrer Forschung und unterstützt die leitende Oberärztin am Universitätsklinikum Leipzig mit einem ERC Starting Grant. Dieser Forschungspreis gehört mit einer Höhe von knapp 1,5 Millionen Euro zu den renommiertesten europäischen Wissenschaftsförderungen. Mit der Hilfe des ERC Starting Grant von 2021 bis 2026 wird der Forschungsprofilbereich „Erkrankungen von Gehirn und Seele“ der Medizinischen Fakultät gestärkt.

Die Nervenfasern, die das Gehirn mit den Muskeln verbinden, interessieren die Neuropathologin dabei besonders. „Neuromuskuläre Erkrankungen können durch Störungen verschiedener Zelltypen wie der Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark, der Stützzellen im Nervengewebe, sowie des Muskelgewebes ausgelöst werden. Allen Ursachen gemein ist, dass sie zu Lähmungen der Muskulatur führen. Wie aber lokale Defekte einzelner Zelltypen über das Nervensystem hinweg kommuniziert werden und zu einer fortschreitenden Schädigung des gesamten Systems führen, ist leider bisher kaum verstanden“, erklärt Stassart. In der Erforschung dieser Mechanismen sieht die Neuropathologin einen bedeutenden Weg für die Entwicklung therapeutischer Strategien. 

Das Rätsel des räumlichen Zusammenspiels und die Wechselwirkungen verschiedener Zelltypen im neuromuskulären System möchte die Wissenschaftlerin mit zwei Strategien lösen: Sie wird mit der Hilfe von Mausmodellen zum einen die genetische Aktivität des gesamten neuromuskulären Systems kartieren, und diese Aktivität zum anderen gezielt manipulieren. Mittels hochmoderner Einzelzelldiagnostik kann gleichzeitig die molekulare Signatur tausender an der Erkrankung beteiligter Zellen analysiert werden. Das zehn Personen starke Forschungsteam um Stassart entwickelte dafür eine Herangehensweise, mit der sich die zelluläre und molekulare Vielfalt des Nervensystems mit bisher unerreichter Auflösung untersuchen lässt. „Damit Zellen aktiv sein können, müssen sie ihre Gene ablesen, um Bausteine und Werkzeuge herstellen zu können. Durch einen Vergleich der abgelesenen Gene in verschiedenen Zelltypen und Bereichen des neuromuskulären Systems, erhoffen wir uns Einblicke in mögliche relevante Erkrankungsmechanismen“, erläutert sie die wissenschaftliche Methode. 

Darauf aufbauend kommen ultrahochauflösende elektronenmikroskopische Verfahren sowie genetische Techniken zum Einsatz, mit denen sich im Mausmodell gezielt bestimmte Eigenschaften des Nervensystems lokal begrenzt manipulieren lassen. „Wenn wir die Interaktion der Zellen im neuromuskulären System besser verstehen, können wir in Zukunft auch die Schädigungsmechanismen bei Erkrankungen wie Neuropathien, der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), aber auch der Multiplen Sklerose (MS) besser nachvollziehen. Die Ergebnisse könnten somit den Weg für eine bessere Behandlung dieser Erkrankungen ebnen“, erklärt Stassart das langfristige Ziel ihrer Forschung. Dabei unterstützt sie der Europäische Forschungsrat mit dem ERC Starting Grant. „Diese Auszeichnung ehrt uns sehr“, sagt die 39-Jährige. „Unser Team ist jetzt noch motivierter, die Arbeit am Wissenschaftsstandort Leipzig weiter zu vertiefen.“

Dr. Ruth Stassart studierte Humanmedizin in Mainz und Göttingen. Ihre wissenschaftliche Laufbahn begann die gebürtige Aachenerin am Göttinger Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, an dem sie zunächst promovierte und dann eine Arbeitsgruppe leitete. Parallel verfolgte Stassart an der Universitätsmedizin Göttingen eine Facharztausbildung im Fach Neuropathologie. Im Jahr 2017 wechselte Stassart mit ihrer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe nach Leipzig und ist seither als leitende Oberärztin in der Abteilung für Neuropathologie am Universitätsklinikum Leipzig tätig. 

 

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