Erstmals publizierte Oschmann seine Thesen im vergangenen Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – und erntete dafür gleichermaßen Zustimmung und Kritik. Seine, wie er sagt, „subjektiv gefärbten Beschreibungen“ hat er für das Buch anschließend ausgebaut. Sie thematisieren „ungerechte Verhältnisse“, etwa, „dass Ostdeutsche in Führungspositionen völlig unterrepräsentiert sind – und das im eigenen Lebensbereich Ostdeutschland“. Auch geht es um sprachliche Zuschreibungen an den deutschen Osten und „um Gräben, die nie geschlossen und Mauern, die nie eingerissen“ waren. Im Interview spricht der 55-Jährige über Entstehung und Charakter seines Buches, über die mediale, politische und private Resonanz, über Erfahrungen mit Journalist:innen und darüber, warum sein „Engagement für die Demokratie“ notwendig ist.
Herr Professor Oschmann, mit drei starken Adjektiven kurz charakterisiert, was für ein Buch haben Sie geschrieben?
Es ist ein im Ton sehr scharfes und ein mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf die Lage der Demokratie sehr notwendiges Buch. Jedenfalls bin ich davon fest überzeugt. Und es ist auf jeden Fall kein, wie es jetzt mehrfach behauptet wurde, humorloses Buch. Dafür muss man nur lesen können. Es gibt viele ironische, sarkastische und auch lustige Stellen. Das nehme ich für mich in Anspruch, und es ist auch vielfach festgestellt worden. Natürlich nicht von denen, die sich nicht auf das Thema einlassen und es nicht wahrhaben wollen, oder von denen, denen eine grundlegende Lesefähigkeit im Sinne von sprachlichem Feingefühl fehlt.
Sie sind Professor für Neuere deutsche Literatur, haben sich privat nun aber einem politischem Thema verschrieben. Wieso?
Als Literaturwissenschaftler hat man immer auch mit Sprache zu tun und eine hohe Konzentration auf sprachliche Phänomene, auch im öffentlichen Raum. Die vergangenen 30 bis 35 Jahre habe ich – hoffentlich – als einigermaßen wacher Beobachter wahrgenommen. Jedenfalls hat bei mir eine Art innerer Sammlungsprozess zum Thema stattgefunden. Wörter wie „Buschzulage“ oder „Aufbau Ost“ vergisst man nicht, auch nicht Wortprägungen wie „ossifrei“.
Kommentare
Anna Blietschau,
Habe das Buch gelesen. Möchte mich ganz herzlich dafür bedanken!
Wusste bereits einiges. Habe durch das Buch viel dazu gelernt.
Gut belegt ist es auch, mit den Quellenhinweisen!
Es ist lehrend, aber nicht belehrend.
Ich selber bin 1951 im Ruhrgebiet geboren und auch dort aufgewachsen.
Das zu meinem Hintergrund, Ruhrpottkind.
Herzliche Grüsse, Anna
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Hans Heinscher,
Als alter Wessi (71) mit Psych-Diplom habe ich das Buch im Nu gelesen. Es erinnerte mich wieder an die Zeit des Umbruchs und die damaligen Lektüren.
Für eine erweiterte Auflage fände ich es gut, wenn sie auch Autoren wie Hans-Joachim Maaz (Der Gefühlsstau, Die Entrüstung, Das gestürzte Volk) sowie das Buch "Kolonie im eigenen Land" von Peter Ralf und Christ Neubauer sowie "Der Blaue" von Lienhard Warzyn in Ihre Betrachtungen einbeziehen würden.
Zum gerade auch westdeutschen Rechtsextremismus gab es damals den Sammelband "Ein Herrenvolk von Untertanen" DISS-Studien 1992
Die Überrumpelung von Kohl hat so vieles zerstört, v.a. eine neue gesamtdeutsche Verfassung.
Zum Ukraine-Krieg hier ein Link: https://www.attac-wiesbaden.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Wiesbaden/Sendung_1984-Zukunft_ohne_Freiheit-Text.pdf
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Dr. Werner H. Baier,
Ich bin einer der "Männer um die 70 oder älter". Von 1991 bis 2003 bin ich zusammen mit meiner Ehefrau aus freien Stücken von Süddeutschland nach Sachsen gezogen und war dort in der neuen Agrarverwaltung tätig. Im Westen habe ich eine leitende Tätigkeit in der Privatwirtschaft zurückgelassen. Weder "Buschzulage" noch Beamtenverschickung greifen bei mir, lediglich ein Engagement zusammen mit meiner als Landärztin praktizierenden Frau mit Aufbau einer neuen Praxis dort könnten als Ausgangpunkte für unseren damaligen "Seitenwechsel" angeführt werden. Aus heutiger Sicht stehe ich nahezu unverständig vor der Entwicklung (Pegida, AfD) in Sachsen. Dort fehlt womöglich ein "Westliches Gen", nämlich sehr langfristig in natürlichen Überzeugungen zu denken, die offensichtlich eine Zukunft verständlicher machen als 40 Jahre DDR-Staat genossen zu haben. Ihr kopfschüttelndes Phönix-Persönlich-Interview war nicht überzeugend, sondern eher hilflos und etwas zornig.
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Klaus Krombholz,
Als 1938 in der Tschechoslowakei Geborener sind mir die in der Fußnote 141 (Seite 219) von ihnen beschriebenen Befindlichkeiten aus eigenem Erleben bestens bekannt und prägen noch heute die Erinnerung. Ab Mitte der 1990er Jahre führten mich die beruflichen und privaten Wege zunehmend in den Westen. Seit mehr als 25 lebe ich mit meiner badischen Partnerin in deren Heimat am Bodensee. Damit habe ich in einer breiten Palette beruflicher, gesellschaftlicher und privater Konstellationen die Situation eines Ossi bis in die Gegenwart erleben können. Dabei will man mir immer wieder den Osten erklären. Ich freue mich, dass ich von meinen Erlebnissen Vieles in ihrem Buch in äußerst treffender Darstellungsweise wiederfinde und bedanke mich, dass sie sich dieser Thematik, die man seit mehr als drei Jahrzehnten „unter den Teppich kehrt“, angenommen haben. Bitte machen Sie weiter. An geeigneten Rezepten gegen diese Gegebenheiten sollte es bei entsprechendem politischen Willen nicht mangeln.
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Manfred Lütz,
Sehr geehrter Herr Professor Dirk Oschmann,
ich möchte mich bei Ihnen für Ihr Buch bedanken, würde Ihnen dazu aber gern 1000 Worte anstelle von1000 Zeichen senden dürfen.
Ist das möglich?
Wie?
mfg
Manfred Lütz
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