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Herzklopfen und Aufregung vor der Prüfung, fehlende Aufmerksamkeit oder übermäßige Anspannung beim Lernen, das hat wahrscheinlich jeder schon einmal erlebt. Doch was passiert, wenn aus Aufregung wiederkehrende Angst wird? Die in der Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerkes Leipzig beschäftigte psychologische Psychotherapeutin Christiane Bach erklärt, was man unter Prüfungsangst versteht und wie man am besten mit ihr umgeht.

Frau Bach, was bezeichnet man als „Prüfungsangst“ und wie unterscheidet sie sich von normaler Aufregung?

Christiane Bach: Während eine normale Aufregung im mittleren Bereich die Leistungsfähigkeit in Prüfungssituationen steigern kann, berichten Studierende mit Prüfungsangst von Beeinträchtigungen in der Prüfungsvorbereitung oder beim Abrufen von Wissen in der Prüfungssituation. Prüfungsangst kann sich sehr unterschiedlich zeigen, da die Symptome auf verschiedenen Ebenen zu finden sind und auch in ihrer Stärke variieren.
Emotional werden zum Beispiel Unsicherheit, Panikattacken, Reizbarkeit, Unlust oder Stimmungsschwankungen berichtet. Auf der körperlichen Ebene sind typische Symptome beispielsweise Anspannung, innere Unruhe, Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen, Müdigkeit, Zittern, Schwitzen, Appetitlosigkeit oder Heißhungerattacken. Hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit können sich im Rahmen einer Prüfungsangst Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Selbstzweifel, Grübelgedanken, Denkblockaden und Einschränkungen in der Merkfähigkeit zeigen. Auf der Verhaltensebene kann es unter anderem zum Vermeiden der Prüfungssituation oder übermäßiger Ablenkung kommen.

Wie hängen Prokrastination und Prüfungsangst zusammen?

Eine ungenügende Vorbereitung durch Prokrastination kann Prüfungsängste auslösen oder verstärken. Gleichzeitig kann eine bestehende Prüfungsangst die Vorbereitung beeinträchtigen durch Vermeidungsverhalten, Konzentrationsprobleme oder Grübeleien.
Eine Möglichkeit aus diesem Teufelskreis auszusteigen, ist die Selbstwirksamkeitserwartung zu stärken – also das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, indem man sich beispielsweise vergangene gute Lernphasen und Prüfungssituationen bewusstmacht und sich die damals eingesetzten Ressourcen, Fähigkeiten und eigenen Stärken verdeutlicht.

Im Zusammenhang mit Prüfungsangst berichten manche Betroffene auch von Blackouts. Wie entstehen sie und wie kann man ihr Auftreten verhindern?

Als Blackout wird der Zustand bezeichnet, wenn trotz vorhandenem Wissen der Lernstoff während einer Prüfung nicht abrufbar ist. Körperlich befindet die Person sich meist unter starker Anspannung und in einer Art Bedrohungszustand, in welchem die kognitive Leistungsfähigkeit, wie das Abrufen von Gedächtnisinhalten, vorrübergehend beeinträchtig ist.
Hier ist es zunächst wichtig, wieder ein inneres Gefühl der Sicherheit zu erzeugen. Dies kann durch eine gezielte Aktivierung des Parasympathikus, dem Teil des autonomen Nervensystems, welcher für Beruhigung und Entspannung sorgt, geschehen.
In so einer Situation bietet es sich daher an, um eine kurze Pause zu bitten, ein Glas Wasser zu trinken und ein paar Atemzüge lang bewusst tief in den Bauch zu atmen. Weiterhin kann es hilfreich sein, eine selbstbewusste Körperhaltung einzunehmen – Schultern tief und leicht nach hinten drücken, beide Füße parallel fest auf den Boden aufstellen, möglichst aufrecht sitzen beziehungsweise stehen – und sich innerlich beruhigende Worte zu sagen, um dadurch den körperlichen Alarmzustand herunterzufahren und sich erstmal wieder zu stabilisieren.

Was passiert, wenn man Angst vor der Angst hat? Wie verhindert man es, sich selbst in die Prüfungsangst hineinzusteigern?

Im Umgang mit Gefühlen ist es zunächst wichtig, diese klar zu benennen und sich auch deren Funktion bewusst zu machen. Ängste haben eine wichtige Schutzfunktion, um uns vor potenziell bedrohlichen Situationen zu warnen und den Organismus zu aktivieren.
In Prüfungssituationen, die keinen Kampf, sondern ein Bewältigen von geistigen Aufgaben erfordern, ist dieses Mobilisierungsmuster in der Regel wenig hilfreich und es kommt eher darauf an, eine Dämpfung herbeizuführen.
Die Forschung zeigt, dass Prüfungsangst durch Bewertungen und Gedanken im Kopf entsteht. An dieser Stelle bietet es sich zur Bewältigung der Angst an, zunächst individuelle angstauslösende oder angstverstärkende Gedanken zu identifizieren wie „Ich kann das nicht.“. Als nächstes formuliert man diese hinderlichen Gedanken in realistische, hilfreiche Gedanken um, wie zum Beispiel „Ich kann nicht alles, aber einiges und versuche mein Bestes.“. Diese neuen Gedanken übt man am besten täglich in Form von Autosuggestionen oder inneren Selbstgesprächen ein.

Was kann man aktiv tun, um Prüfungsangst entgegenzuwirken?

  • Am besten beginnt man damit, sich genau über die Prüfung zu informieren und einen Lernplan zu erstellen. Die Leistung entsteht nicht in der Prüfung, sondern hauptsächlich in den Wochen vorher. Ein rechtzeitiger Beginn kann das Vertrauen in das eigene Wissen stärken. Regeneration sowie ein fester Feierabend sollten mit eingeplant werden.
  • Zusätzlich ist ausreichend Bewegung in der Freizeit wichtig, um Stresshormone und Anspannungen abzubauen, besonders an den Tagen direkt vor der Prüfung.
  • Auch gezielte Entspannungsübungen, wie die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen und Atemtechniken mit dem Fokus auf ein verlängertes Ausatmen nach Benson, sind empfehlenswert. Durch häufiges Wiederholen wird die Entspannungsreaktion im Gehirn gebahnt und stabilisiert. Je länger ein Entspannungsverfahren geübt wurde, desto schneller kann sie im Alltag aktiviert werden.
  • Die mentale Leistungsfähigkeit und die innere Stabilität werden auch durch einen festen Schlafrhythmus, regelmäßiges, gesundes Essen und ausreichend Flüssigkeitszufuhr begünstigt.
  • Neben dem Lernen ist zudem das Vorbereiten auf die Prüfungssituation wichtig. Simulieren kann man die Prüfungssituation durch Fragerunden mit Kommiliton:innen oder durch das Bearbeiten von möglichen Klausurenaufgaben in der später vorgegebenen tatsächlichen Prüfungszeit. Unterstützend kann auch ein wiederholtes mentales Training sein, bei dem man sich die Bewältigung der Prüfungssituation vorstellt. Der Einsatz verschiedener Selbstregulationstechniken, wie motivierender Selbstgespräche und kurzer Atemübungen, ist ebenfalls hilfreich in der Vorbereitung.

Was kann eine Person tun, die Abbruchgedanken aufgrund von Prüfungsangst hat?

Da es viele hilfreiche Strategien zum Umgang mit Prüfungsangst gibt, ist zu empfehlen, sich zunächst professionelle Unterstützung beispielsweise in Form einer Beratung, eines speziellen Prüfungscoachings oder auch einer ambulanten Psychotherapie zu suchen und direkt an der Prüfungsangst zu arbeiten. In der Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerkes bieten wir jedes Semester einen speziellen Workshop zum Sicheren Auftreten in Prüfungssituationen in Präsenz an
Weiterhin besprechen wir mit den Studierenden, wichtige Entscheidungen wie einen Studienabbruch nicht aus einer akuten Krise heraus zu treffen, sondern zunächst für eine Stabilisierung zu sorgen und dann die verschiedenen Optionen in Ruhe abzuwägen.

Ab wann sollte man sich Hilfe holen?

Wenn die eigenen Strategien und Bemühungen zur Bewältigung nicht mehr ausreichend zu einer Besserung führen und/oder die Prüfungsangst zunehmend intensiver wird, empfiehlt es sich, gezielt Unterstützung zu suchen. Wir raten hier je eher desto besser. Das heißt, die Tendenz ist, vor allem präventiv zu arbeiten, sich bereits zu Beginn des Semesters statt kurz vor den Prüfungen mit der Prüfungsangst auseinanderzusetzen – vor allem, wenn sie zum Beispiel bereits aus dem letzten Semester oder aus Schulzeiten bekannt ist.

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