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Gemeinsam mit der Stadt- und Kreisarchäologie sowie dem Museums- und Heimatverein Gifhorn haben Studierende der Professur für Ur- und Frühgeschichte der Universität Leipzig unter Anleitung von Uwe Kraus im August 2021 die Überreste einer abgebrannten Burganlage des ausgehenden Frühmittelalters bei Gifhorn in Niedersachsen untersucht. Das Besondere daran: Freiwillige Denkmalpfleger:innen und Studierende forschen gemeinsam unter dem Motto "Ehrenamt trifft Wissenschaft“.

Über die sogenannte „Sassenburg“, die namengebend für die angrenzende Gemeinde ist, war vor der Ausgrabung kaum etwas bekannt. Ein Vermessungsplan von 1903/04 zeigt einen kreisförmigen Wall mit einem angedeuteten Graben. Doch es fehlten eindeutige Belege, ob die heute dicht bewachsene Erhebung an der Aller tatsächlich einmal Standort einer Burg war. Die Untersuchungen konnten diese Unklarheiten nun beseitigen. So zeigte sich, dass für die Errichtung der Sassenburg eine Düne ausgenutzt wurde, die nach der letzten Eiszeit im Allertal entstanden war. In diese Düne hatte man Hölzer eingegraben, die das Fundament für den eigentlichen Befestigungsbau bildeten. Dramatisch für die „Bewohner“ der Sassenburg, jedoch ein Glücksfall für die Archäolog:innen, ist der Umstand, dass ein Feuer den größten Teil des oberirdischen Wallaufbaus zerstört hat. Durch die starke Hitze verkohlten die Hölzer im Untergrund, sodass sie sich bis in unsere Tage erhalten haben.

Abschnittweise war der durch eine Holzkonstruktion verstärkte Wall zusätzlich durch einen Graben geschützt. Aus der Verfüllung dieses Grabens ließen sich mehrere Hölzer bergen, die sehr wahrscheinlich mit dem Ende der Burg in Verbindung stehen. Dank ihrer Lage in einer konservierenden Torfschicht knapp oberhalb des Grundwasserspiegels haben sich die Hölzer nahezu vollständig erhalten. Dadurch konnte ihr Alter dendrochronologisch ermittelt werden. Dabei zeigte sich, dass die Bäume, von denen die Hölzer stammen, am Ende des 10. Jahrhunderts gefällt worden waren.

In eben diese Zeit fällt der historisch belegte Aufstand mehrerer slawischer Stämme unter Führung der Luitizen gegen die Vorherrschaft der Ottonen. Nach 983, dem Jahr des Aufstandes, war es über Jahrzehnte in der sächsisch-slawischen Grenzregion, zu der auch der heutige Landkreis Gifhorn gehört, zu Konflikten und auch zu Überfällen gekommen. Ob das nachgewiesene Brandereignis in einem direkten Zusammenhang mit dem Slawenaufstand steht, werden künftige Untersuchungen sowie die Auswertung der bisher gewonnen Daten erst noch zeigen müssen. In jedem Fall geben diese ersten Erkenntnisse schon jetzt Anlass zu der Hoffnung, dass bei kommenden Untersuchungen – etwa im Innenbereich des Ringwalles – weitere interessante archäologische Entdeckungen gemacht werden können.

Dass die inselartige Lage in der feuchten Allerniederung auch schon in weit älterer Zeit ein attraktiver Ort war, belegen unterdessen mehrere Feuersteinartefakte und eine Feuerstelle aus der Mittelsteinzeit (etwa 10.000 bis 6.000 v. Chr.). Unter dem frühmittelalterlichen Befestigungsbau liegt also noch eine Menge mehr Geschichte verborgen, die es künftig zu erforschen gilt.

Das Besondere an dem aktuellen Grabungsprojekt war neben den gemachten Entdeckungen auch die Zusammensetzung des Grabungsteams, das unter dem Motto "Ehrenamt trifft Wissenschaft“ Studierende und freiwillige Denkmalpfleger:innen aus der Region zusammenbrachte und zum gegenseitigen Austausch angeregt hat. Für die meisten Leipziger Teilnehmer:innen war die Grabung darüber hinaus der erste praktische Einblick in das Fach Ur- und Frühgeschichte. Während der vierwöchigen Feldarbeit hatten sie Gelegenheit, die für archäologische Untersuchungen grundlegenden Ausgrabungs- und Dokumentationstechniken kennenzulernen und anzuwenden.

Das Projekt wurde finanziell durch die Stadt Gifhorn, den Museums- und Heimatverein Gifhorn sowie die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung unterstützt. Den genannten Institutionen und allen anderen Beteiligten sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.

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