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Wenn einer eine Reise macht... Europäisches Recht, dreistündiges Mittagessen mit Tapas, wissenschaftliches Arbeiten in Tandems, Sightseeing und Shoppen in Granada und dann die wissenschaftliche Frage, ob Menschen ein Recht darauf haben, dass digitale Inhalte über sie nach einer gewissen Zeit aus dem Internet gelöscht werden – das alles kann ein Aufenthalt für Studierende und Lehrende der Rechtswissenschaften an der Universität Granada in Spanien bieten. Triggerwarnung: Ein studentischer Erfahrungsbericht, der Fernweh auslösen kann.

Alles begann mit dem Forschungsaufenthalt der Promovendin Eloísa Pérez von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Granada. Mitten im Corona-Lockdown kam sie für einen Forschungsaufenthalt an die Juristenfakultät unserer Universität, zu Prof. Dr. Stephanie Schiedermair, Professorin für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht. Da kam die Idee auf, ein Austauschprogramm zwischen der Universität in Granada und unserer zu organisieren für Studierende und Lehrende beider juristischen Fakultäten. Durch die Partnerschaft der Hochschulen in der Europäischen Hochschulallianz Arqus konnte das alles verwirklicht werden.

Recht schnell wurde ein gemeinsames Projekt zum Thema „European Constitutional Law and Fundamental Rights in the EU“ auf die Beine gestellt und die Rahmenbedingungen abgesteckt. Fünf Tandems aus jeweils einer:m Studierenden der Rechtswissenschaften aus Granada und Leipzig bearbeiten gemeinsam ein Unterthema, zunächst im digitalen Austausch und dann offline beim Besuch in Granada, bei dem die Teams ihre Ergebnisse auch vorstellen und zur Diskussion stellen würden. Die programmatische Gestaltung und Organisation übernahm ein Team aus Professor:innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen beider Unis. Dem Start der Reise am 5. Juni 2022 ging eine einmonatige Vorbereitungszeit voraus.

Wenn verschiedene Kulturen zueinander finden

Nach einem verspäteten Flug, einem verpassten Bus und einigen Diskussionen mit den spanischen Busfahrern trafen wir am späten Abend in Granada ein. In unserer Unterkunft angekommen waren wir sehr froh, dass wenigstens zwei von uns etwas Spanisch sprachen. Wir fanden uns nämlich in einer Art Internat für männliche Studierende wieder und der nette ältere Herr, der uns herumführte und Tag wie Nacht den Eingangsbereich überwachte, sprach leider kein Wort Englisch.

Am nächsten Morgen waren wir – typisch deutsch! – die ersten beim Frühstück und konnten all die verdutzten Gesichter der Studenten beobachten, die nach und nach in den Speisesaal kamen und absolut nicht damit gerechnet hatten, dort plötzlich auf Frauen zu treffen. Noch am Vormittag trafen wir endlich alle anderen Teilnehmenden des Projekts persönlich. Nach einer Begrüßungsansprache des Direktors des Instituts für Verfassungsrecht, Prof. Enrique Guillén López, wurden wir von Prof. Antonio Pérez Miras durch die geschichtsträchtigen Universitätsgebäude und den Botanischen Garten der Uni geführt. Die Vorlesungsräume erinnerten teilweise an pompös geschmückte Thronsäle oder Kapellen und beeindruckten uns alle sehr – was für ein starker Kontrast zu den modernen Räumlichkeiten der Uni Leipzig.

Im Anschluss durften wir noch einen Vortrag zum Thema „Social Networks and Democracy“ von Prof. Francisco Balaguer Callejón hören, der in eine rege Diskussion mündete, gefolgt von einem Mittagessen in einem Restaurant nahe der Uni. In Granada ist es üblich, lediglich Getränke zu bestellen, zu welchen dann kostenlos Tapas (typisch spanische Appetithäppchen) serviert werden. Von deftiger Suppe über Salate, belegte Brote oder Chips kann das so ziemlich alles sein. Und dann gilt die Devise: Trinken, bis man satt ist. Nach diesem dreistündigen Mittagessen führten uns die Professoren aus Granada durch ihre Stadt und zeigten uns die berühmtesten Orte mit all den unterschiedlichen religiösen Einflüssen, die Andalusien zu bieten hat. Bei weit über 30 Grad kam eine Cassata („ein Stück Kuchen aus Eis in der Waffel, das aber kein Eis ist“) gerade zur rechten Zeit.

Wie kulinarische Köstlichkeiten und eine malerische Altstadt den fachlichen Diskurs bereichern

Der nächste Tag war der Arbeit an unseren Vorträgen gewidmet und so verbrachten wir den gesamten Vormittag in der juristischen Bibliothek der Uni. Nachmittags besichtigten einige von uns weitere historische Gebäude der Stadt mit unseren spanischen Kommiliton:innen, während die anderen die Gelegenheit nutzten, die Läden der Altstadt unsicher zu machen oder weiter fleißig an ihren Themen zu arbeiten. Am Abend stand dann ein Besuch der weltberühmten Alhambra auf dem Programm – eine jahrhundertealte Burgstadt mit wunderschönen Gärten, eindrucksvollen Prachtbauten, genialen Bewässerungssystemen und idyllischem Ausblick.

Der dritte Tag unseres Besuchs in Spanien begann mit einem Vortrag von Professorin Schiedermair mit Input zu dem Thema „Recht auf Vergessen“, einem sehr aktuellen Problem der Rechtswissenschaft, das sich mit der Frage beschäftigt, ob Menschen ein Recht darauf haben, dass digitale Inhalte über sie nach einer gewissen Zeit aus dem Internet gelöscht werden. Am Nachmittag widmeten wir uns dann erneut unseren Vorträgen und Präsentationen. Nach getaner Arbeit führten uns die spanischen Studierenden in ihr Lieblings-Café, wo wir das berühmte Gericht „Chocolate con Churros“ probieren konnten – frittierte Teigstangen mit heißer Schokolade.

Tags darauf war es Zeit für die ersten Teams, ihre Ausarbeitungen zu präsentieren:

  • „EU rule of law crisis: EU constitutional supremacy vis-à-vis Poland and Hungary“,
  • „The EU strategy on disinformation“,
  • „Social media networks between fundamental rights entitlement and fundamental rights obligations – Implications of the Digital Services Act and the Digital Markets Act on Twitter”

Die Professor:innen und Mitarbeitenden stellten zu den Themen spannende Fragen und schafften mit ihren teilweise kontroversen Thesen einen bereichernden Austausch. Nach der vorangegangenen intensiven Zusammenarbeit aller Studierenden war es schön zu sehen, wie alle miteinander ins Gespräch kamen und sich innerhalb der Teams die Bälle zuspielten. Nach einer Wanderung auf einen Berg hinter der Alhambra trafen sich alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Abendessen in einer Craftbeer-Bar. Spät am Abend zogen wir dann noch weiter in einen Club, wo nicht nur die Studierenden ausgelassen feierten. Dass wir mal mit Professor:innen tanzen gehen würden, hätte vor der Reise vermutlich niemand erwartet!

Zum Abschluss ein Bad im Mittelmeer

Am letzten Tag folgten noch zwei Präsentationen der Studierenden zu den Themen „Right to be forgotten“ und „Digital Constitutionalism in the EU“, bevor wir uns alle voneinander verabschieden mussten. Für uns ging es nachmittags noch ein paar Stunden an den Strand von Salobreña, bevor wir am nächsten Tag die Heimreise antraten.

Wir alle sind sehr froh, dass dieses spannende Projekt so kurzfristig mit der Unterstützung von Arqus ermöglich werden konnte. Unser Dank gilt insbesondere den Professor:innen, welche das Projekt in die Wege geleitet haben und den wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Eloísa Pérez Conchillo und Gabriel Armas-Cardona, ohne deren organisatorisches Talent dieses wunderbare Austauschprojekt nicht möglich gewesen wäre. Wir sind in Granada auf große Gastfreundschaft getroffen und hoffen sehr, dass das Projekt fortgeführt werden kann und wir nächstes Jahr Studierende unserer Arqus-Partneruni in Leipzig willkommen heißen dürfen!

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