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In den letzten drei Beiträgen haben wir uns mit Vor- und Familiennamen beschäftigt, heute sollen Straßennamen (Hodonyme) unsere Aufmerksamkeit finden. Auch wenn ihre Orientierungsfunktion im universitären Kontext gerade von geringerer Bedeutung ist, weil man sich digital begegnet und E-Mail-Adressen für das Auffinden von Instituten und Dozenten meist ausreichen, so sind Straßennamen doch eine entscheidende Orientierungshilfe, um sich im Labyrinth der Stadt Leipzig zurechtzufinden.

Für den Namenforscher bewahren Straßennamen einerseits nicht selten Wörter, die im allgemeinen Sprachgebrauch untergegangen sind (linguistische Perspektive). Andererseits sind sie elementarer Teil der öffentlichen Erinnerungskultur, indem sie an Menschen, Ereignisse, Bauwerke erinnern (stadtgeschichtliche Perspektive). Im Wahlfach Namenforschung beschäftigen wir uns mit Funktion, Alter und Bildungstypen der Straßennamen und erkunden sie bei Straßennamenspaziergängen mit unseren Studierenden.

Artistenfakultät nahm in Petersstraße ihren Lehrbetrieb auf

Zu den ältesten Straßenbezeichnungen zählt die Peterstraße. Dort nahm 1409 die Artistenfakultät (auch Petrinum genannt, heute Juristenfakultät), den Lehrbetrieb auf. Petersstraße, Petersbogen stehen für Straßennamen, die an ein (verlorengegangenes) Gebäude erinnern. Denn hier im „Petersviertel“ stand bis 1885 die Peterskirche, deren Vorgängerbau (1507) aus der Peterskapelle (1017) hervorging, einst umgeben von einem Friedhof (Peterskirchhof). Das Peterstor wurde erstmals 1420 erwähnt.

Ein weiterer altüberlieferter Straßenname der Universität ist die Ritterstraße, ein Areal, das schon seit 1456 von der 1409 gegründeten Universität genutzt wird. Der kleine Teil der Ritterstraße, wo sich heute der Eingang zum Rektorat befindet, hieß ursprünglich Eselsplatz, später auch Ritterplatz. Woran die Ritterstraße (1483 in der Ritterstraße) erinnert, ist nicht ganz sicher. Vorgeschlagen wird die Benennung nach Behausungen der landesherrlichen Ministerialen (Ritter) oder die nach dem 1426 das erste Mal erwähnten Ratsmarstall. In jedem Fall erinnert der Name an etwas nicht mehr Existentes.

Mit dem Nikolaikirchhof - der Adresse des Antikenmuseums - haben wir einen weiteren zu dieser Motivgruppe gehörenden Namen. Auch wenn es den Kirchhof (Friedhof) nicht mehr gibt, so wird ebenso wie bei der Nikolaistraße (1469 Nicolaußstraße) Bezug genommen auf die dem heiligen Nikolaus geweihte Stadtkirche, eine seit 1160 existierende alte Kaufleutekirche.

Universitätsstraße ist jünger als die Universität

Mit der Universitätsstraße haben wir sozusagen unsere eigene Straße, allerdings ist sie längst nicht so alt, wie die 1409 gegründete Universität selbst, denn sie heißt erst seit 1839 so, da sich das Hauptgebäude der Universität an der Straße befand. Die ursprüngliche Bezeichnung war Alter Neumarkt (1447).

Das innerstädtische Herz der Universität schlägt im Augusteum am Augustusplatz, der streng genommen schon nicht mehr zum mittelalterlichen Zentrum gehört. Dieser ehemalige Grimmaische Thorplatz wurde 1839 nach Friedrich August I., dem König von Sachsen, benannt und hieß zwischen 1945 und 1990 Karl-Marx-Platz, so wie auch unsere Universität von 1953 bis 1991 Karl-Marx-Universität hieß.

Straßennamen sind wichtiger Teil der öffentlichen Erinnerungsarbeit

Mit der Goethestraße (Studierenden Service Zentrum) und der Schillerstraße (Fakultät für Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften) finden wir zwei weitere Straßennamen, die nicht mehr nach örtlichen Gegebenheiten beziehungsweise Bauten benannt wurden, sondern in ehrender Absicht. Früher Am oberen Park genannt, wurde mit Johann Wolfgang von Goethe 1865 ein Alumnus der Universität zum Namengeber. Die Benennung erfolgte anlässlich des 100. Jahrestages von Goethes Einschreibung an unserer Universität. Friedrich Schiller lebte von 1785 bis Juli 1787 als Gast bei Christian Gottfried Körner in Leipzig (Schillerhaus Gohlis). Die neuangelegte Straße wurde anlässlich des 100. Geburtstages von Schiller 1859 nach ihm benannt.

Straßen- und Platznamen als kulturelles Gedächtnis erzählen demjenigen, der sich dafür interessiert, Stadtgeschichte(n), sie bewahren außer Gebrauch gekommen Wörter (zum Beispiel Brühl „feuchte Wiese“), erinnern an einstmals vorhandene Gebäude beziehungsweise Einrichtungen wie den Nikolaikirchhof oder erinnern an Menschen, die in der Stadt gewirkt, gelebt oder studiert haben, wie die Goethestraße. Diese letztere Straßennamengruppe (nach Personen) sorgt immer wieder für Diskussionen, weil die Bewertung von Menschen und ihrer Leistungen von neuen Generationen hinterfragt werden. Straßennamen sind somit ein wichtiger Teil der öffentlichen Erinnerungsarbeit im urbanen Raum, die eben auch zu kontroversen Diskussionen führt. In Leipzig gibt es gegenwärtig 500 Erläuterungstafeln, die den Straßennamen erhellen. In den Adressen der Universität Leipzig finden sich einerseits Namen von Straßen, die zum Teil schon Jahrhunderte alt sind und Zeugnis von Namenkontinuität ablegen (Petersstraße), andererseits aber auch Namen, die das Thema Namenwechsel ansprechen (vgl. Augustusplatz). Straßennamen stehen damit immer wieder auch im öffentlichen Interesse. In mehreren Publikationen unserer Reihe „Onomastica Lipsiensia“ werden Straßennamen behandelt.

Unter www.leipzig.de/strassennamenverzeichnis hat die Stadt Leipzig seit einigen Tagen die Geschichten rund um die Leipziger Straßennamen mit einer neuen Webanwendung zugänglich gemacht.

Hinweis:

Unsere Autorin hat die Informationen zu diesem Blogbeitrag unter anderem aus dem "Lexikon Leipziger Straßennamen" von Gina Klank und Gernot Griebsch sowie aus den Publikationen der Reihe „Onomastica Lipsiensia“ 7 und 8.

Dr. Dietlind Kremer

 

Kommentare

  • Kommentar von Marie, 01.06.2021, 23:22 Uhr
    Sehr informativ, danke!

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