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Jeder weiß es und jeder will es: Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen sollen gemeinsam fächerübergreifende Fragen verfolgen, um damit die Grenzen des eigenen Fachs zu übersteigen und in Gebiete vorzustoßen, die sich nur einer Synthese verschiedener Methoden öffnen. Viele Formate der Wissenschaftsförderung verlangen diese interdisziplinäre oder gar transdisziplinäre Zusammenarbeit. Wie aber aus zusammengehäuften Wissenschaften selbst ein wissenschaftliches Unternehmen wird, ist meist weniger klar, denn dieses muss in der fraglichen Konstellation erst erarbeitet werden. Da stehen Fächerkulturen nebeneinander, zu denen nicht nur jeweils allgemein akzeptierte Diskurse, Begriffe und Theoreme gehören, sondern auch Karrierewege, Publikationsformen und soziale Gepflogenheiten. Das Überschreiten der eigenen disziplinären Grenzen erfordert deshalb abstrakt Offenheit, konkret aber viel Zeit, um sich mit unbekannten Diskursen und Fächerkulturen vertraut zu machen; es braucht kreative Publikationsstrategien und die gezielte Unterstützung des interdisziplinär geschulten, aber eben deshalb nirgendwo wirklich einschlägigen wissenschaftlichen Nachwuchses.

Was ist das Leipzig Lab?

Das Leipzig Lab besteht zeitgleich aus jeweils drei bis vier Arbeitsgruppen, die für eine begrenzte Zeit an einem gemeinsamen Ort, der Villa Tillmanns, zusammenarbeiten. Die Forscher:innen der einzelnen Gruppen vertreten unterschiedliche Disziplinen, sie arbeiten an verschiedenen Themen und Fragestellungen. Was sie eint, ist ihr Interesse am interdisziplinären Austausch, am gemeinsamen Nachdenken, am Entdecken neuer spannender Forschungsfelder. In beständig weiterentwickelten Formaten der gemeinsamen Arbeit zeigen sich immer wieder unerwartete und unvorhersehbare Berührungsflächen zwischen den unterschiedlichen Forschungsschwer­punkten der Gruppen. Das Leipzig Lab wirkt so als ein Inkubator, in dem sich erste, noch unscharfe Ideen zu präzisen Forschungsfragen, Publikationen, Projektanträgen und Kooperationen entwickeln.

Wer arbeitet im Leipzig Lab?

Momentan gibt es drei Arbeitsgruppen, die von einem Koordinationsteam unterstützt werden. Die „AG Global Health“ untersucht unter der Leitung von Maren Möhring und Marian Burchardt aus soziologisch-anthropologischer und geschichtswissenschaftlicher Perspektive, wie verschiedene Konzepte von Gesundheit und bestimmte Gesundheitspraktiken global zirkulieren, wie diese kulturell variieren und sich historisch verändert haben. Die Gruppe hat soeben bei der DFG ein Projekt über „Pandemic Space: Quarantäne und Responsibilisierung in Zeiten von Corona“ eingeworben. In der „AG Intangibles“, geleitet durch Sebastian Rödl, Rochus Leonhardt und Christian Berger, stehen ungreifbare Werte und die damit verbundenen Bruchstellen rechtlicher und ökonomischer Ordnung im Mittelpunkt. Philosophen, Theologen und Juristen befassen sich mit den Grenzen des Eigentums, etwa im Zusammenhang mit dem Eigentum am eigenen Körper, an Tieren, an natürlichen Ressourcen, und der Beziehung zwischen Religion, Moral und Recht. In der „AG Children and Nature“ untersuchen Entwicklungspsychologinnen, Anthropologen und Biologen unter der Leitung von Katja Liebal und Daniel Haun die Einstellungen von Kindern gegenüber verschiedenen Tierarten; sie fragen, wie diese kulturell variieren und welche Faktoren die Entwicklung dieser Einstellungen beeinflussen. Dabei ist auch von Interesse, wie die Interaktion mit Tieren die Einstellungen von Kindern gegenüber bestimmten Tierarten verändert. Das wird gerade in einer Kooperation mit der Zooschule Leipzig untersucht, in der Jugendliche als Forschende auf eine „Fotoschnitzeljagd“ geschickt werden.

Wie arbeitet das Leipzig Lab?

Das Leipzig Lab erneuert sich durch die Rotation seiner Arbeitsgruppen stetig. Jede AG ist zeitlich begrenzt und scheidet nach einer Phase der intensiven Zusammenarbeit aus dem Leipzig Lab aus, um einer neuen Gruppe Platz zu machen. Der interdisziplinäre Austausch zwischen den Gruppen wird in verschiedenen Arbeitsformaten realisiert. Diese umfassen neben gemeinsam organisierten Vortragsreihen, Lesekreisen und themenspezifischen Diskussionen auch Veranstaltungen, die Mitglieder der Universität Leipzig sowie die interessierte Öffentlichkeit zur Teilnahme an interdisziplinären Diskursen und Diskussionen zu gesellschaftlich relevanten Themen einladen. Ein wichtiger Bestandteil des Leipzig Labs ist die Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und dessen Teilhabe an gelebter Interdisziplinarität. Das Leipzig Lab bietet deshalb ab dem kommenden Wintersemester ein Modul „Werkstatt Interdisziplinarität“ für interessierte Studierende an.

Welche Möglichkeiten zur Mitarbeit gibt es?

In den Jahren 2023 und 2024 werden nacheinander die gegenwärtigen AGs ausscheiden. Rechtzeitig vorher werden alle Forschenden der Universität Leipzig eingeladen sein, sich in einer kleinen Gruppe mit Ideen für eine neue AG zu bewerben. Es gibt dafür weder fachliche noch inhaltliche Begrenzungen. Das Leipzig Lab ist keiner bestehenden Profillinie untergeordnet, denn seine Aufgabe ist es gerade, die Fähigkeit der Universität Leipzig zu stärken, langfristig zukunftsträchtige interdisziplinäre Forschungsfelder neu zu erschließen. Also los! Wir sind gespannt, was im Leipzig Lab passieren wird!

Für Online-Studie Kinder gesucht

Die Arbeitsgruppe „Kinder und Natur“ erforscht, wie Kinder verschiedene Lebewesen und unbelebte Objekte in Beziehung zueinander bringen und wie sie diese bestimmten Gruppen zuteilen. Für die Studie „Gruppierung von Lebewesen und unbelebten Objekten“ suchen wir Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren, die an einer Art Kartenspiel teilnehmen. Mit Hilfe einer interaktiven Internetseite können die Kinder Karten mit Zeichnungen von Lebewesen (z. B. Tiere, Pflanzen) sowie unbelebten Objekten (z. B. Berge, Möbel) selbstständig in beliebig viele Gruppen einordnen. Es gibt weder eine richtige noch falsche Art und Weise der Gruppierung. Im Anschluss können die Kinder erklären, warum sie die einzelnen Lebewesen und Objekte den jeweiligen Gruppen zugeordnet haben. Die Studie dauert ca. 30 Minuten.

Bei Interesse an einer Teilnahme melden Sie sich bitte per Email beim Studienleiter Tom Herrnsdorf.

 

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